Schnelle und einfache Lösungen für komplexe Probleme gibt es nicht. Nur wenn ich mich meinen Schwierigkeiten auf ganzheitliche Weise nähere, kann ich eine Lösung finden.
Ich habe mich für Recherchezwecke bei etlichen Abnehmgruppen in Facebook als Mitglied eingetragen und raufe mir seitdem die Haare. Ich werde seither Zeugin von Mitteilungen verzweifelter Menschen, die unbedingt abnehmen wollen aber nicht wissen, wie sie ihrer Esslust Herr werden sollen. Und ich lese die Tipps, die diesen Menschen gegeben werden. Sie sollen mehr Wasser trinken, weniger Kohlehydrate zu sich nehmen und mehr Sport machen. Weisheiten, die bestimmt jeder schon mal gehört hat, bevor er in die jeweilige Facebookgruppe eintrat. Aber dann kommen auch all die anderen hilfreichen Menschen, die ihre phantastischen Produkte verkaufen wollen. Plastikwickel, die das Fett um Po und Bauch von selber schmelzen lassen und Pillen, die den Appetit nehmen. Dazu kommen all die verschiedenen Wundershakes und -pulver, Trainingsprogramme und Gesundheitscoaches die eine sofortige Gewichtsabnahme garantieren.
Ich weiß noch sehr genau, wie ich selber als Teenager und Twen immer wieder neue Diäten, Shakes, Pillen und Übungen machte, weil mir versprochen wurde, dass diese mich zu einer schlanken und glücklichen Frau machen würden. Ich nahm auch immer etwas ab, aber irgendwann fing ich dann wieder "normal" zu essen an und nahm alles und noch mehr wieder zu - das Übliche eben. Und nie kam mir auch nur im Entferntesten die Idee, dass es an den Methoden liegen könnte, die mich im Stich ließen. Immer dachte ich nur, dass ich diejenige war, die diesen Methoden nicht gerecht wurde.
Also versuchte ich immer wieder neue Diäten, neue Shakes und neue Pillen, die mir aber immer wieder nur dasselbe Ergebnis lieferten: Gewichtsabnahme und dann wieder -zunahme.
Irgendjemand sagte mal, immer wieder das Gleiche zu tun und ein anderes Ergebnis zu erwarten, sei echter Wahnsinn.
Aber ich weiß, dass wir das Gleiche auch auf anderen Ebenen machen. Eine Kollegin von mir leidet seit Jahren unter fürchterlichen Nacken- und Schulterschmerzen. Sie hat alles versucht, sagte sie mir: Physiotherapie, Yoga, Gymnastik, Gewichte heben, keine Gewichte heben, Schwimmen, Massage, Akkupunktur, gar keine Bewegung, Operation und noch so einiges mehr. Nichts half auf Dauer, erzählte sie mir. Jede neue Methode brachte ihr am Anfang eine kleine Erleichterung aber eigentlich würde der Schmerz immer schlimmer werden. Seit Jahren läuft sie im Büro immer mit steifen Hals und einem Kühl-Gel-Pad auf der Schulter herum. Nur so sei der Schmerz halbwegs erträglich.
Als ich sie vor zwei Jahren einmal fragte, ob ihre Nackenschmerzen vielleicht auch andere als nur rein physische Ursachen haben könnten, schaute sie mich damals nur ausdruckslos an. Sie dachte eindeutig, dass ich keine Ahnung hatte, wovon ich da eigentlich redete. Ich habe seitdem nie wieder so eine Andeutung gemacht.
Letzte Woche kam sie aus einem zweiwöchigen Urlaub zurück (ungewöhnlich lang für Amerikaner) und das Erste, was sie mir sagte, als sie mich sah, war, dass sie im Urlaub habe an mich denken müssen. Ich war ziemlich überrascht. So nahe stehen wir uns ja nun auch nicht. Aber dann erklärte sie, dass sie in diesem Urlaub von vorne und hinten dermaßen von ihren Schwiegereltern verwöhnt worden war, dass sie selber keinen Finger hatte krümmen müssen. Außerdem war es ihr im Ausland nicht möglich ihre Arbeitsemails abzurufen. All das führte dazu, dass sie nach etwa zwei Tagen bereits bemerkte, dass sie ihren Hals wieder bewegen konnte. Nach vier Tagen war sie vollkommen schmerzfrei.
Welche Überraschung!
Wenn ich schon lange an einem Problem rumdoktere und es sich einfach nicht auflösen will, egal, was ich auch tue, dann muss ich mich der Erkenntnis stellen, dass meine bisherigen Methoden nicht richtig oder unvollständig waren. Statt immer und immer wieder ähnliche Strategien zu benutzen und zu hoffen, dass diese endlich zu einem vollkommen anderen Ergebnis führen, muss ich mir vollkommen neue Wege suchen. Und meistens heißt das für mich, dass ich einen ganzheitlichen Weg finden muss, das Problem anzugehen.
Bei meinem Übergewicht habe ich mit Mitte Zwanzig erkannt, dass bei mir Diäten nicht funktionierten. Ich erkannte, dass bei meinem Problem nicht nur die physische Ebene "behandelt" werden musst. Also machte ich eine Therapie und besuchte Selbsthilfegruppen, die mir halfen meine emotionale und mentale Seite zu erforschen. Aber erst viele Jahre später, als ich eine Gruppe fand, die mir half zusätzlich zu der physischen und der mentalen auch die spirituelle Ebene mit einzubeziehen, konnte ich dauerhaft abnehmen.
Hartnäckige Probleme brauchen mehr als die Quick-Fix-Lösungen, die einem in der Werbung versprochen werden. Dauerhaftes Übergewicht kann nicht durch Milkshakes weggezaubert werden. Chronische Schmerzen brauchen mehr als nur Schmerzpillen, Yoga oder sogar eine OP. So oft vergessen wir, dass wir komplexe Wesen sind, deren Körper oft nur wiederspiegeln, was in uns vorgeht.
Aber wer auf diesen Abnehmseiten will schon so einen Rat hören: 'Löse deine Familientraumata, Finde neue Wege, mit deinen Mitmenschen und dir selber zu kommunizieren, finde deine eigene Höhere Macht und ändere dein Essverhalten für IMMER'. Das hört sich bei Weitem nicht so knackig an, wie 'Nimm mit diesen Shakes 20 Pfund in einer Woche ab'.
Obwohl ich selber immer wieder darüber schreibe, auch ich vergesse manchmal, dass kein Problem, dass ich habe, singulär betrachtet werden sollte. Jedes Problem hat mehrere Ebenen/Schichten, die angesprochen werden müssen, damit es sich auflösen kann. Jedes Mal kostet es mich ein wenig Überwindung, alle Ebenen mit einzubeziehen. Ich scheue die Arbeit. Eine Pille zu nehmen scheint so viel einfacher zu sein. Aber wenn die Pille nicht funktioniert? Was dann? Einfach eine neue Pille suchen?
Für mich hat sich die ganzheitliche Herangehensweise an meine Probleme immer gelohnt. Ich kann es nur empfehlen.
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