Ich weiß, dass das Äußere ein Spiegelbild meines Inneren ist. Das heißt, dass alles, was mir in meinem Leben passiert und begegnet, ein Abbild dessen ist, was in mir vorgeht. Alles, was ich denke und fühle, spiegelt sich in meinen Beziehungen und materiellen Leben wieder und auch in den Situationen, die ich erlebe.
Wann immer etwas passiert, was mir nicht gefällt, wende ich mich nach innen, um zu sehen, was diese Situation ausgelöst haben könnte. Denn diese Situation konnte meiner Meinung nach nur deswegen passieren, weil ich sie irgendwie angezogen habe. Ich meditiere oder schreibe, ich arbeite die Schritte der Gewaltfreien Kommunikation durch oder mache The Work von Byron Katie. So finde ich meistens heraus, was für Glaubenssätze und Gefühle diese Situation hervorgerufen haben. Wenn ich es dann schaffe, diese Glaubenssätze und damit auch meine Gefühle zu ändern, verändern sich die Situationen im Außen meistens von ganz allein, ohne dass ich irgendetwas unternehmen muss.
Ich habe da ein Beispiel.
Vor zwei Jahren konnte ich mit meinen Kollegen zusammen zwei Möwen bei der Aufzucht ihrer zwei Küken beobachten. Wir hatten von unserem Serverraum einen phantastischen Blick auf das Möwennest auf dem Dach. Es war nur einen Meter vom Fenster entfernt. Wir sahen die kleinen Küken schlüpfen und beobachteten jeden Tag, wie sie aufwuchsen. Es war toll aber auch beängstigend, denn ich merkte, dass ich mir immer mehr Sorgen um die beiden Kleinen machte. Bekamen sie an heißen Tagen auf dem Teerdach auch genug Wasser und Schatten? Würden sie auch nicht vom Dach fallen? Die Tiere wurden immer größer und selbstständiger und fingen an auf dem großen Dach herumzuwandern. An manchen Tagen bekam ich sie gar nicht mehr zu sehen und ich dachte schon, dass sie tot waren. Dann tauchten sie wieder auf und ich war so erleichtert, dass ich hätte tanzen können.
Eines Tages humpelte einer der Jungvögel. Ich war verzweifelt. Der Vogel konnte kaum laufen. Er versuchte es immer wieder, aber fiel bei jedem Versuch hin. Er war noch lange nicht flügge aber wie sollte er überleben, wenn er einen gebrochenen Fuß hatte? Ich konnte nicht mehr aufhören mir Sorgen zu machen.
Als ich anfing, von den Vögeln zu träumen, wusste ich, dass ich etwas ändern musste. Meine Reaktion auf die Vögel war viel zu extrem. Ich besann mich darauf, dass ich eigentlich daran glaubte, dass alles, was mir begegnete ein Spiegelbild meiner Glaubenssätze und Gefühle war. Waren bestimmte Begebenheiten kein Spiegelbild meiner inneren Vorgänge, dann übersah ich solche Situationen oder sie ließen mich schlichtweg kalt. Wenn ich also meine innere Einstellung ändern konnte, dann würde sich auch die äußere Situation oder meine Gefühle zu der Situation ändern. Theoretisch könnte es in diesem Fall bedeuten, dass entweder das Bein des Vogels heilen würde oder mich das Schicksal des Vogels nicht mehr so aufwühlen würde, wenn ich herausfinden könnte, was die Ursache meines Stresses war.
Was immer auch dabei herauskommen würde, ich fand, es war einen Versuch wert, herauszufinden, warum ich so unangemessen betroffen vom Schicksal der Vögel war.
Ich entdeckte, dass die Vögel meine Angst vor dem sozialen System in den USA wiederspiegelten. Ich war zwei Jahre zuvor von Deutschland an die Ostküste Amerikas gezogen und haderte ständig mit meinen Ängsten, dass ich meinen Job und damit meine Krankenversicherung verlieren könnte. Die Arbeitnehmerrechte sind in den USA so gut wie nicht vorhanden und selbst wenn man krankenversichert ist, ist die Eigenbeteiligung sehr hoch. Selbst mit Krankenversicherung konnte es teuer werden, wenn man krank wurde und ich hatte Geschichten von Menschen gehört, wo deren Krankenversicherung sich weigerte eine lebensrettende Behandlung zu bezahlen, weil sie nicht Teil des Leistungskatalogs war. Wie sollte ich es mir jemals leisten können, hier krank zu werden? Was sollte ich machen, wenn ich meinen Job verlor? Wie konnte ich in den USA glücklich sein, wenn ich hier nicht dieselbe Sicherheit haben konnte, wie in Deutschland?
Ich verstand, dass das "unversicherte" Leben der Wildvögel meine inneren Ängste wiederspiegelten. Ich projizierte meine Sorgen auf sie. Also war die einzige Lösung für mich, meine ursprünglichen Ängste anzugehen, statt mich ständig gedanklich mit den Vögeln zu beschäftigen.
Mehrere Wochen arbeitete ich daran, mir meiner Ängste, die ich mit meinem Leben in den USA verband, vollkommen bewusst zu werden und dann zu verwandeln. Für mich lag die Lösung meines Problems darin, Vertrauen in mein Schicksal, meine Zukunft zu entwickeln. Vertrauen darauf, immer die Fähigkeit zu haben, einen neuen Job zu finden - Vertrauen darauf, dass ich gesund bleiben würde - Vertrauen darauf, Unterstützung zu finden, wenn ich sie brauchen sollte - Vertrauen darauf, dass ich auch in den USA nicht alleine war, egal wie schwach das soziale System hier auch ausgebaut war - und Vertrauen darauf, dass ich ja immer nach Deutschland zurückkehren konnte, wenn ich es wollte.
Um dieses Vertrauen zu entwickeln, machte ich mir bewusst, was bisher alles in meinem Leben passiert war. Ich musste vor mir selber zugeben, dass ich bis jetzt immer ein wirkliches Glückskind gewesen war. Ja, ich hatte in meinem Leben Krisen erlebt und es ging mir streckenweise richtig schlecht, aber ich fand immer einen Weg, der mich einer Heilung näherbrachte. Ich fand Menschen, Bücher und Gegenstände, die mir im richtigen Moment eine große Hilfe waren. Ich lebte jetzt mit der großen Liebe meines Lebens zusammen, und dass obwohl ich ihn für 21 Jahre vollkommen aus den Augen verloren hatte. Ich hatte tatsächlich geschafft, 80 kg abzunehmen und hielt diesen Gewichtsverlust zu diesem Zeitpunkt seit mehr als fünf Jahren. Ich hatte in den USA gegen alle Erwartungen sofort einen wirklich guten Job gefunden, wo ich für amerikanische Verhältnisse ungewöhnlich großzügige Urlaubsregelungen genießen konnte. Meine Liste der Dinge, Menschen und glücklichen Begebenheiten, die mein Vertrauen in mein Schicksal stärken konnten, wurde immer länger.
Je mehr ich auf mein bisheriges Leben schaute, desto mehr wuchs meine Zuversicht darauf, dass ich mich auf mein Glück UND auf meine Fähigkeit verlassen konnte, mit Krisensituationen konstruktiv umzugehen.
Dieser Prozess dauerte einige Wochen. Ich konnte nicht so einfach vom Angstmodus in einen Rosa-Wolken-Optimismus-Zustand wechseln. Aber bereits eine Woche, nachdem ich mit der Arbeit an meinen Ängsten begonnen hatte, bemerkten meine Kollegen und ich, dass der lahme Jungvogel wieder besser laufen konnte. Wir waren begeistert. Und ich war selig. Ich sah dies als weiteren Beweis dafür, dass ich mit meiner inneren Arbeit auf dem richtigen Weg war. Aber nach drei weiteren Wochen erwischte ich mich an manchen Tagen dabei, wie ich wieder in einen Sog von sorgenvollen Gedanken über eine fiktive schwarze Zukunft gezogen wurde.
Und dann entdeckten wir eines Tages, dass der andere Jungvogel einen lahmen Flügel hatte. Noch war er jung genug und wurde von seinen Eltern gefüttert. Aber wie lange würde das wohl gut gehen? Zu diesem Zeitpunkt hatte ich fast das Gefühl, dass ICH Schuld an dem kaputten Flügel des Vogels war, weil ich meine inneren Ängste immer noch nicht bewältigt hatte. Ob das nun stimmte oder nicht, war mir aber gleichgültig. Ich wollte so oder so lernen, angstfrei in den USA zu leben.
Also machte ich mit meiner Arbeit an mir weiter.
Ich glaube nach etwa eineinhalb Monaten merkte ich, dass ich endlich das Vertrauen spürte, dass ich als Gegenmittel zu meinen Ängsten brauchte. In mir wuchsen Zuversicht und Optimismus, zuerst noch zart aber stetig. Diese Gefühle wurden immer stabiler und parallel dazu konnte ich beobachten, dass der Flügel des Jungvogels ebenfalls heilte. Hinkefuß und Schleppflügel, so hatten wir die beiden getauft, entwickelten sich prächtig und wir konnten ihnen bei ihren ersten Flugübungen zusehen. Irgendwann waren sie dann verschwunden.
Ich glaube, dass meine innere Welt meine äußere Welt erschafft. Meine Gefühle und Glaubenssätze färben meine Sichtweise von den Dingen, die um mich herum geschehen. Dadurch filtere ich die Dinge, die ich dann bewusst wahrnehme und ich ziehe bestimmte Begebenheiten oder auch Menschen an, die zu meinem inneren Erleben passen. Habe ich Angst, sehe ich die Welt durch meinen Angst-Filter und alles scheint meine Angst zu bestätigen. Habe ich vertrauen, bin ich viel gelassener und merkwürdigerweise geschehen mir dann auch Dinge, die mein Vertrauen bestätigen.
Ich weiß, dass sich das für manche anhört, als wenn ich von Magie reden würde. Aber wäre das nicht eine wundervolle Magie, wenn du die Macht hättest, Dinge in deinem Leben zu verändern, indem du dich erst einmal selbst veränderst?
Für mich funktioniert das meistens ziemlich gut.
Karina
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