Wenn irgendetwas passiert, das mir nicht gefällt, dann tue ich natürlich alles, um das zu verändern. Aber immer wieder stelle ich fest, dass ich erst einmal etwas bei mir selber verändern muss, bevor sich dann auch die Umstände verändern können.
Letztes Jahr wurde bei uns innerhalb weniger Monate drei Mal der Keller geflutet. Naja, geflutet ist etwas übertrieben, aber es trieb sich dort eine Menge Wasser herum, die da nicht hingehörte.
Die erste große Flut habe sogar ich verschuldet. Ich ließ kaltes Wasser in der Küchenspüle in einen Topf frisch gekochter Eier laufen, um die Eier abzuschrecken. Da bekam ich einen Telefonanruf und etwa 20 Minuten später, als ich wieder in die Küche kam, lief der Wasserhahn immer noch. Da aber der Topf auf dem Abfluss stand und in Amerika anscheinend nicht immer Überflusslöcher in den Spülbecken installiert werden, ist das ganze Wasser in die Küche und sofort in den Keller gelaufen.
Der Küchenboden musste ausgetauscht und dass Haus und der Keller mit riesigen Heizlüftern trockengeföhnt werden. Seitdem verfolgte mich die Angst vor Schimmel im Keller - keine unübliche Plage hier. Aber da das ganze so schön war, passierten gleich noch ein paar andere Malheurs in den darauf folgenden Monaten, die dazu führten, dass das im Keller frisch gelegte Laminat noch zwei weitere Male tüchtig gewaschen wurde. Etwa jede zweite Nacht hatte ich Alpträume, in denen unser Keller, viel Wasser und eine Menge Schimmel eine Hauptrolle spielten.
Das war alles sehr ärgerlich (und teuer). Aber egal, wie vorsichtig ich ab dem ersten Unfall auch war, passierten trotzdem noch der zweite und der dritte wasserhaltige Unfall. Ich schien diesen Ereignissen vollkommen machtlos ausgeliefert zu sein. Ich wurde immer ängstlicher. Also beschloss ich die Geschehnisse unter einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Was hatte ich schließlich schon zu verlieren? Nach dem dritten Wasserunfall war ich überzeugt, wenn ich nicht ganz anders an das Thema heran gehen würde, würde noch eine weitere teure Katastrophe auf mich zukommen.
Also fragte ich mich, wofür diese Geschehnisse eigentlich in meinem Leben stehen könnten, wenn sie nur eine Wiederspiegelung von Dingen sind, die in meinem Inneren vorgehen? Was für Gefühle lösten sie in mir aus und in welchen anderen Bereichen fühlte ich mich genauso? Und war es irgendwie möglich eine Verbindung zwischen Beidem herzustellen? Und wenn ja, ist das alles nicht zu sehr an den Haaren herbeigezogen?
Also wie fühlte ich mich bei diesen Wassereinbrüchen? Hilflos, frustriert, ich ärgere mich über mich selber, weil ich nachlässig war. Aber eigentlich war ich sauer, weil die Unfälle alle etwas damit zu tun hatten, dass hier die Dinge anders laufen, als ich es von zu Hause in Deutschland kannte. Der Unfall mit dem Luftentfeuchter im Keller war auch so einer. Der zieht nämlich die Feuchtigkeit aus der Kellerluft aber man muss den Auffangbehälter regelmäßig wechseln. Das hatte ich zwar gemacht, aber nicht darauf geachtet, dass der Behälter bei dem letzten Wechsel nicht richtig eingerastet war. Also bemerkte das Gerät nicht, dass der Eimer voll war und es lief und lief und lief. Irgendwann schwamm alles. Noch nie hatte ich zuvor etwas mit Luftentfeuchtern zu tun gehabt. Und dann das fehlende Überlaufloch der Küchenspüle. Wer kommt denn auf so etwas?
Als ich weiter darüber nachdachte, merkte ich, dass ich mich in meinem Leben überfordert fühlte. Gleichzeitig war es mir peinlich, das auch nur vor mir selber zuzugeben, denn mein Leben verlief eigentlich ganz wunderbar und reibungslos. Keine Krankheiten, keine Arbeitslosigkeit, keine größeren Probleme, keinen Ehestress, keine Geldprobleme . . . eigentlich war da nichts, was irgendwie auch nur die geringste Ursache für Stress sein konnte.
Aber trotzdem fühlte ich mich gestresst. Als ich das endlich bewusst wahrnahm, konnte ich das auch nicht mit logischen Argumenten wegdiskutieren. Ich war gestresst, ich surrte innerlich wie ein Kabel, dass unter Strom stand ssssssssssssssssssssssss.
Plötzlich machten diese ganzen Überflutungen Sinn für mich. Bei mir war das Fass voll. Ich war am Ende meiner Kapazität angelangt. In den Tagen, als mir dieses Gefühl immer bewusster wurde, fiel mir auch auf, dass mein Tinitus wieder da war. Und ich wusste, dass er schon eine ganze Weile wieder da war, ich ihn aber die ganze Zeit ignoriert hatte. Denn warum sollte eines meiner üblichen Stresssymptome auftauchen, wo doch mein Leben so wundervoll war?
Und mein Leben war wundervoll, aber es war mir anscheinend trotzdem zu viel, denn ich war einfach nie alleine. Ich hatte mein Leben lang alleine gelebt. Das Alleine-Sein war für mich immer eine Möglichkeit wieder Kräfte aufzutanken. Dann konnte ich mich sammeln, erholen und einfach nur ich sein.
Jetzt lebte ich mit Andrew zusammen und war so gut wie nie mehr alleine. Wo immer ich war, war ich von Menschen umgeben: Auf der Arbeit, in den Selbsthilfegruppen, wenn ich Freunde traf und zu Hause. Nur im Auto war ich alleine. Das war eigentlich alles ok, aber die Tatsache, dass ich nicht mehr so wie früher gewohnt, auftanken konnte, schien bei mir nach drei Jahren einen enormen Stresslevel aufgebaut zu haben.
Diese Wassergeschichte ist jetzt etwa ein Jahr her und ich habe tatsächlich eine Möglichkeit gefunden, wie ich mich wieder aufladen kann, ohne Andrew verlassen zu müssen oder krank zu werden. Ich fing mit dem Schreiben an. Und ich suchte mir Orte, wo ich mich genauso alleine fühlen konnte, wie früher: In Cafés. (Das Blöde ist nur, dass ich jetzt ziemlich viel Geld in diesen Cafés lasse, weil ich dort das meiste meiner Schreiberei erledige. Aber das scheint mir nicht ansatzweise so viel Stress zu bereiten, wie den, den ich vorher empfunden hatte.)
Mein Tinitus ist weg und seitdem hatten wir in unserem Haus auch keinen teuren Wasserunfall mehr. Wie durch ein Wunder, fanden wir sogar Wege, diverse andere Verstopfungen von Abflussrohren aufzulösen, die sich bis dato seit mehr als einem Jahr allen Versuchen der Reinigung widersetzt hatten.
Alles fließt bei uns wieder.
Alles Zufall?
Nicht für mich. Ich bin überzeugt davon, dass Dinge, Geschehnisse und Menschen in meinem Umfeld eine Wiederspiegelung dessen sind, wie es mir im Inneren geht.
Oft kann ich Dinge in meinem Leben eben nur ändern, wenn ich erst einmal etwas bei mir selber ändere.
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