Donnerstag, 12. März 2015

Meditierende Kaffeehaustante in Amerika

Meditation bedeutet für mich Kampf und Verspannung. Zum Glück habe ich eine andere Methode gefunden, die mir nicht nur dabei hilft, mich zu entspannen sondern auch dafür sorgt, dass ich in Krisen wieder einen klaren Kopf bekomme: Ich setze mich ins Café.

Ich bin eine echte Kaffeehaustante geworden. Ehrlich gesagt, entstamme ich einer langen Ahnenreihe von Kaffeehaustanten.

Bereits als Kind musste ich dieser geehrten Familientradition folgen. Meine Mutter und Großmutter bestachen mich mit Eis und Kuchen, damit ich ihr langweiliges und sinnloses Hobby tolerieren konnte. Denn außer essen und trinken gab es meiner Meinung nach im Kaffee Kranzler nichts zu tun. Ich hatte keine Ahnung, warum diese Frauen an diesem Ort unbedingt immer so lange rum sitzen mussten, selbst nachdem sie ihre Tasse Kaffee schon lange ausgetrunken hatten.

Und jetzt muss ich feststellen, wie ich unsere Familientradition mit Leidenschaft weiterführe.


Wann immer ich kann, in meinen Mittagspausen, am Wochenende und wenn ich meine Lieben in Berlin besuche, setze ich mich also ins Kaffee. Hauptsächlich ins Starbucks (sorry, für die Schleichwerbung), denn in Berlin haben sie so schöne gemütliche Sessel. Hier in Maine gibt es zwar nur harte Stühlchen aber sie sind in der Nähe meiner Arbeit und unseres Hauses zu finden. Die meisten meiner Blogposts werden hier geschrieben. Alle meine Konzepte für meine Bücher, Texte und Recherchen entstehen im Gewusel um mich herum, wo ich mich wie im Auge eines Sturms fühle. Ich kann mich einfach am besten auf etwas konzentrieren, wenn um mich Trubel ist, der allerdings in keiner Weise etwas mit mir zu tun haben darf.

Und was für tiefe Gespräche ich schon in Cafés geführt habe. Oder einfach auch nur Stunden des gemeinsamen Abhängens, begleitet von einer Show hinein- und hinausströmender Menschen, die wiederum für neuen Gesprächsstoff dienten.

Wenn ich alleine in Cafés bin, kann ich auch am besten Klarheit in Zeiten der Krise finden. Wenn ich Stress mit Familie oder Freunden habe und ich traurig oder wütend bin, setze ich mich alleine ins Café. Ich weiß, wenn ich mir dort Zeit nehme, über meine Probleme nachzudenken, komme ich danach immer mit für mich wunderbaren Erkenntnissen wieder heraus.

In einem Café zu sitzen, ist für mich das, was für den Buddhisten seine Meditation ist. 


Im Café zu sitzen ist für mich genauso gut, wie eine Therapiestunde. An diesen lauten Orten komme ich mir so nahe wie sonst nirgendwo. Wahrscheinlich kann ich mich deswegen dort auch so gut auf das Schreiben konzentrieren. Überall liest und hört man, dass wir mehr meditieren sollen. Es soll so gesund sein, und zwar auf allen Ebenen. Wenn regelmäßig angewandt, soll der Blutdruck das Krebsrisiko sinken. Ja, man wird angeblich im Allgemeinen ein glücklicherer und zufriedenerer Mensch.

Da das ja immer genau mein Ziel ist, versuche ich es mit der Meditation seit Jahren immer wieder. Und jedes Mal, wenn ich nach einer halben Stunde des vollkommenen Stillliegens, mal mit, mal ohne Musik, wieder aus der Meditation herauskomme, habe ich Muskelkater. Es ist so anstrengend für mich, mich in der Stille zu entspannen, dass ich mich sogar noch mehr verkrampfe. Es ist mir unmöglich nichts zu denken. Ich schaffe es höchstens mal für einen Atemzug, auf den ich mich leider aber auch nie länger als eine Sekunde konzentrieren kann, Ruhe in meinem Kopf herzustellen. Aber kaum freue ich mich schon über diesen Erfolg, haben sich auch schon wieder Gedanken eingeschlichen.

Ich werde es wohl immer wieder mal mit dem Meditieren probieren. Ich kann mich den "Werbeversprechen" dieser Übung einfach nicht ganz entziehen. Aber eigentlich weiß ich schon, dass meine wirkliche Meditation im Kaffeehaus stattfindet.

Wenn ich in meinem Starbucks sitze und mit meinem entkoffeinierten heißen Kaffee in der Hand auf den hässlichen Parkplatz schaue (wenn es etwas reichlich gibt in Amerika, dann riesige Parklätze), verbreitet sich zwar keine Stille in meinen Kopf aber es kommt Ordnung dorthin, wo vorher Unordnung war. Nach so einem Besuch geht es mir IMMER besser.

Es ist doch egal, wo wir unseren Platz finden, an dem wir heilen können. Hauptsache wir finden ihn, oder?


Und ich bin mir absolut sicher, dass sich mein Blutdruck auch bei Starbucks senkt. Das mit dem Krebs kann ich noch nicht bestätigen. Ich werde aber davon berichten, sobald ich meine 90 erreicht habe.

Karina

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