Mittwoch, 14. Januar 2015

Schwierige Kollegen

Ein Freund von mir ist gestern von seinem Chef angebrüllt worden. Solche Chefs und Kollegen gibt es. Wir alle sind solchen Menschen schon begegnet. Menschen, die ihre Wut und ihren Ärger an ihrer Umwelt auslassen und vielleicht sogar Freude daran haben, weil sie sich den anderen überlegen fühlen.

Ich habe drei Methoden, die mir dabei helfen mit so einer Situation konstruktiv umzugehen. Aber alle drei Methoden haben eins gemeinsam: Sie gehen davon aus, dass ich andere Menschen nicht ändern kann. Ich kann sie manipulieren, ich kann mich rächen aber ich kann nicht wirklich dafür sorgen, dass z.B. mein cholerischer Chef nur noch sanft schnurrend auf meinem Schoß sitzt. Alle drei Methoden arbeiten mit der Annahme, dass ich nur mich ändern kann und dass ich machtlos darüber bin, wie sich andere Menschen verhalten.
Natürlich könnte ich sie umbringen. Die Macht hätte ich. Mein Ziel ist es aber, Methoden zu haben, die mein Leben wirklich erleichtern und nicht in ein noch schlimmeres Chaos verwandeln.

Und das spannende an diesen Methoden ist nicht nur, dass sie mich verändern, sondern, dass sich oft dann auch die Umstände zu meinen Gunsten verändern, so dass ich mit den betreffenden Kollegen entweder nicht mehr zusammenarbeiten muss oder mich ihnen gegenüber anders verhalten kann.

Drei Methoden
  1. Ich wende die Gewaltfreie Kommunikation an. Ich finde heraus, warum es mir mit diesem Kollegen wirklich so schlecht geht. Was für Gefühle löst er in mir aus und auf welche unerfüllten Bedürfnisse weisen diese Gefühle hin? Wenn ich dem auf den Grund gekommen bin, mache ich mich daran, mir diese unerfüllten Bedürfnisse zu erfüllen aber ich erwarte nicht mehr, dass dieser betreffende Kollege sie erfüllen muss. Denn ich weiß ja, dass es am wichtigsten ist, dass das Bedürfnis erfüllt wird, wie und von wem ist da sekundär. Wenn ich also ein Bedürfnis nach Respekt habe, könnte ich mir das von anderen Kollegen erfüllen lassen oder, noch viel besser, ich könnte nach Wegen und Verhaltensweisen suchen, mit denen ich mir selber mehr Respekt schenken kann.
  2. Ich wende The Work von Byron Katie an. Ich hinterfrage mit Hilfe ihrer vier Fragen meine Gedanken und Glaubenssätze über meinen Kollegen. Ganz oft komme ich dann auf erstaunliche Erkenntnisse, die mich wieder auf mich zurückwerfen.
  3. Ich nehme das Verhalten des Kollegen gleich als reines Spiegelbild von mir selber an. Ich weiß, dass sein Verhalten etwas repräsentiert, das bei mir auf fruchtbaren Boden fällt. Denn ich beobachte auch oft, dass sich derselbe Kollege nicht unbedingt jedem anderen gegenüber genau gleich verhält oder dass die anderen Kollegen sich nicht gleichermaßen stark von seinem Verhalten abgestoßen fühlen.

Beispiel: Der panisch-chaotische Chef

Vor ein paar Jahren befand ich mich in einer Phase meines Lebens, wo mein Kurzzeitgedächtnis so gut wie gar nicht mehr vorhanden war. Egal, wie viele Notizen ich mir darüber machte, was ich gerade getan oder geschrieben oder besprochen hatte, ich vergaß das meiste davon sofort wieder.

Ich war verzweifelt, weil ich wusste, wie lästig das für alle meine Kollegen war. Ich fühlte mich dumm und dachte mir immer mehr Tricks und Strategien aus, von denen ich mir erhoffte, dass sie mein Gedächtnis unterstützten. Ich machte täglich Gehirnjogging-Übungen, in der Hoffnung, dass diese meine Vergesslichkeit kurieren könnten.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich einen Chef, der auf meine Vergesslichkeit mit Wutanfällen, die sich gewaschen hatten, reagierte. Ich war totunglücklich und wusste einfach nicht wie ich mir helfen sollte. Ich ging jeden Morgen mit Bauchschmerzen zur Arbeit und wartete nur darauf, dass er wieder ausfällig mir gegenüber wurde. Ich war jedes Mal den Tränen nahe, wenn er in mein Zimmer stürmte und mich mit Fragen zu einem Vorgang bombardierte. Ich konnte meistens, wenn ich etwas Zeit bekam, mit Hilfe meiner Notizen seine Fragen beantworten. Aber erst einmal musste ich mir eine Standpauke anhören und sein vor Wut und Frustration rotes Gesicht ansehen.

Ich war kurz davor zu kündigen. 

Zwei Erkenntnisse

Was sollte ich nur machen? Ich schaffte es nicht, mein Gedächtnis zu verbessern und ihn konnte ich ja nun wirklich nicht ändern.

Nach ein paar Monaten hatte ich mir eines abends dann endlich die Zeit genommen und bemühte mich, zu erkennen inwiefern dieser Mann oder diese Situation etwas von mir selber wiederspiegeln könnte. Ich kam auf zwei Erkenntnisse:
  1. Er war genauso vergesslich, wie ich. Er war panisch, weil er sich selber an vieles nicht erinnern konnte und darum verließ er sich blind darauf, dass seine Zuarbeiterinnen sich an alles erinnern würden, woran er selber hätte denken müssen. Und dann bekam er mich als Assistentin, die genau dieselben Gedächtnisprobleme hatte wie er. Kein Wunder, dass er ausflippte.
  2. Seine Ausbrüche mir gegenüber, die Respekt- und Distanzlosigkeit, die er dabei zutage legte, waren genau ein Abbild dessen, wie ich mit mir selber umging. Ich beschimpfte mich ständig innerlich, weil ich nicht besser funktionierte. Ich bestrafte mich andauernd mit noch mehr Scham- und Schuldgefühlen, in der Hoffnung, dass ich durch Strafe endlich lernen würde, besser zu arbeiten. Genau das machte mein Chef auch. Er beschimpfte mich, teilweise aus hilfloser Frustration und teilweise weil er sich erhoffte, dass dies bei mir eine Verhaltensverbesserung auslösen würde.

Als ich das erkannte, war der weitere Weg für mich klar. Ich musste sofort anfangen, mich selber netter zu behandeln. Schluss mit den Selbstbeschimpfungen und her mit dem liebevolleren Umgang. Das war gar nicht so einfach, schließlich war ich es bis dahin gewohnt, mich sofort zu beschimpfen, wenn ich wieder irgendetwas verlegt oder vergessen hatte. Aber wann immer ich mich von da an dabei erwischte, mich niederzumachen, sagte ich mir so banale Sätze wie "Es gibt schlimmeres", "Wenn ich alt bin, wird kein Hahn mehr danach krähen" oder "Karina, du hast dein Bestes gegeben. Es mag vielleicht nicht gut genug für diesen Job sein, aber vielleicht kannst du im Haus eine andere Stelle finden, wo es weniger hektisch zugeht."

Das Ergebnis war phänomenal:
  • Mir ging es von Woche zu Woche immer besser. Mein Chef tobte zwar weiter aber es machte mir immer weniger aus. Irgendwann konnte ich ihn genauso auf die leichte Schulter nehmen, wie alle anderen Kollegen in meiner Abteilung.
  • Als ich meinen Frieden mit meiner Vergesslichkeit und meinem Chef gemacht hatte, stellte sich durch einen Zufall heraus, dass die Ursache für die Schwierigkeiten mit meinem Kurzzeitgedächtnis in einem hormonellen Ungleichgewicht bestand. Als ich Hormontabletten nahm, regenerierte sich meine Gedächtnisfähigkeit innerhalb von wenigen Monaten.
  • Mir wurde aus heiterem Himmel eine neue Position im selben Haus angeboten. Es war eine Beförderung, die mich außerdem zu phantastisch netten Kollegen brachte.

Solche "Zufälle" passieren mir immer wieder, wenn ich es schaffe, meine Einstellung zu verändern. Aber selbst ohne diese Zufälle hebt es die Lebensqualität schon erheblich an, wenn ich es schaffe, mich im Angesicht von merkwürdig unreifen und unausgeglichenen Kollegen besser zu fühlen.

Karina

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