Donnerstag, 19. Februar 2015

Unsichtbar in der Bar oder Männer sind besser als wir manchmal denken

Mein Gewicht hat noch nie darüber bestimmt, ob ich attraktiv für Männer war. Es war immer meine Einstellung zu mir selber, die dafür gesorgt hatte, ob ich von Männern wahrgenommen wurde oder nicht.


Letzte Woche bin ich mit mehreren Freundinnen in eine Bar gegangen. Eigentlich war es mehr ein Irish Pup, der sich über zwei Etagen erstreckte. Sehr gemütlich eingerichtet und wenn man mal davon absieht, dass ich mich immer noch nicht daran gewöhnt habe, in den USA immer meinen Ausweis vorzeigen zu müssen, wenn ich einen Ort betrete an dem Alkohol ausgeschenkt wird, fühlte ich mich dort sofort sehr heimisch. Schließlich hatte ich unzählige Wochenenden meiner Jugend mit Freundinnen in Irish Pubs verbracht. An einem dieser Wochenenden hatte ich mit 19 sogar meinen jetzigen Mann getroffen, den ich dann nach jahrzehntelanger Beziehungspause mit 45 Jahren geheiratet habe. Aber das ist eine andere Geschichte.

In der wunderbaren lauten Atmosphäre des Pubs stellte ich mal wieder fest, dass ich unsichtbar für die Männerwelt war.

Obwohl ich bereits als Teenager übergewichtig war, wurde ich damals trotzdem von Männern wahrgenommen und genoss das auch. Ich bekam bei meinen nächtlichen Ausflügen in das Berliner Nachtleben Drinks spendiert, die mir halfen, wenigstens für ein paar Stunden meine Komplexe zu vergessen. Wenn ich mit meinen Freundinnen zusammen die Nächte durchmachte, war ich aufgeregt und gespannt darauf, ob ich an diesem Abend einen attraktiven Mann kennenlernen würde. Männer interessierten mich. Ich fand sie sexy (oder auch nicht) und wollte unbedingt von ihnen wahrgenommen werden.

Dann traf ich meinen Freund, Andrew, und das Leben hätte gar nicht besser sein können.

Als wir uns dann trennten, ging ich wieder mit meinen Freundinnen aus. Aber meine Komplexe wurden im Laufe der Jahre immer größer, da ich immer dicker wurde. Ich ging immer weniger aus. Ich war überzeugt, dass ich für Männer nicht attraktiv war. Darum ließ ich es dann ganz bleiben. Ich richtete mich in meinem Single-Dasein ein und akzeptierte die Realität: Solange ich dick war, war ich unisichtbar für die Männerwelt.

Und dann wurde ich schlank. Ich konnte plötzlich hochhackige Schuhe, einen tiefen Ausschnitt und sexy Klamotten tragen. Ich war im siebten Himmel. Und natürlich erwartete ich, dass sich die Männer wieder für mich interessieren würden. Ich ging also mit Freundinnen wieder aus und musste erstaunt feststellen, dass ich immer noch unsichtbar war. Egal, wo wir hingingen oder wie nett der Abend auch wurde, wenn ich überhaupt mal zum Tanzen aufgefordert wurde, dann von 70jährigen. Und Drinks wurden mir schon gar nicht spendiert.

Ich war baff. Was stimmte nur an meiner Gleichung nicht? Schlank hieß doch auch, dass Frau wieder einen "Männermarktwert" hatte, oder etwa nicht?

Als ich einer Freundin gegenüber diese Gedanken äußerte, guckte sie mich an, als wenn ich gerade erzählt hätte, dass ich nicht wüsste wo die Babys herkommen. "Mensch, Karina" sagte sie, "Natürlich bist du für die Männer unsichtbar. Schließlich bist du über vierzig."

Was? Konnte das wirklich wahr sein, dass ich zu spät schlank geworden war, um noch "mitspielen" zu können? Stimmte es also wirklich, dass Männer nur zwanzigjährige schlanke Frauen wollen?

Ich ließ mir das eine ganze Weile durch den Kopf gehen, kam dann aber zu einem ganz anderen Schluss.

Ich hatte nämlich bemerkt, dass ich nicht wirklich unsichtbar für Männer war. Kollegen, Freunde und sogar Bekanntschaften in Kneipen nahmen mich durchaus wahr. Ich fühlte mich meistens von Männern ernst genommen und akzeptiert. Ich bin gerne mit Männern befreundet. Ich finde, dass sie eine tolle Spezies sind. Aber ich wurde eben nicht als, sagen wir mal, sexuelles weibliches Wesen wahrgenommen.

Und wenn ich zurückblickte, dann konnte ich auch sehen, wann das angefangen hatte. Das hatte nicht mit meinem Übergewicht angefangen. Das hatte angefangen, als ich beschlossen hatte, dass ich keinen Mann an mich ranlassen konnte, da ich mich selber ablehnte. Zum selben Zeitpunkt hörte ich auf, DIE MÄNNER ALS SEXUELLE WESEN WAHRZUNEHMEN. Ich empfand sie als vollkommen neutral. Ich bemerkte kaum, wenn ein Mann vieleicht mal gut aussah. Ich sah Männer als Neutren, weil ich mich vor Enttäuschungen schützen wollte. Wenn ich sie nicht mehr als Männer wahrnahm, dann konnte es mir auch nicht mehr weh tun, falls sie mich nicht als Frau wahrnehmen sollten.

Das war eine wirklich gute Strategie, die mir sehr dabei geholfen hatte, Frieden mit meinem Single-Dasein zu schließen.

Aber leider änderte sich meine Sichtweise auf Männer nicht automatisch mit meinem neuerreichten Normalgewicht. Und ich verstand, dass ich, solange ich Männer als Neutren betrachtete, wahrscheinlich auch von Männern so wahrgenommen wurde. Ist es nicht immer so? Wie man in den Wald hineinruft so schallt es auch heraus? Oder vielleicht gab es ja sogar Männer, die sich getraut hätten, mir ihr Interesse zu zeigen, wenn ich irgendwie Offenheit signalisiert hätte.

Ich habe in meinem Leben dicke, dünne, junge, alte, hübsche und weniger hübsche Frauen kennengelernt, die glücklich verliebt waren. Besonders in den letzten Jahren treffe ich öfter Frauen, die in ihren Vierzigern oder Fünfzigern nach eigenen Angaben ihre schönste Beziehung mit einem neuen Mann beginnen. Sicher gibt es Männer, die eine eindeutige Vorliebe für junge Frauen haben. Aber von diesen Männern gibt es bei weitem nicht so viele, wie wir glauben.

Jetzt aber zurück zu dem Irish Pub, den ich mit meinen Freundinnen letzte Woche besucht hatte. Ja, ich war an diesem Abend für die Männerwelt vollkommen unsichtbar. Als ich mich von dem ersten Schrecken erst einmal erholt hatte, guckte ich mir das Publikum einmal genauer an. Und dann wurde mir klar, dass ich, wenn ich als Endvierzigerin an einen Ort gehe, an dem vorwiegend 20jährige Collgestudenten ihren Spaß suchen, natürlich für diese Kids unsichtbar war.

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