Mittwoch, 29. Juli 2015

Sind Amerikaner wirklich oberflächlich?

Viele Deutsche misstrauen der amerikanischen Herzlichkeit, denn sie erweckt in uns manchmal Erwartungen, die nicht erfüllt werden. Aber hat das wirklich etwas mit Oberflächlichkeit zu tun? Ist es nicht eher ein kulturelles Missversändnis?

Die ersten Amerikaner habe ich als Teenager kennengelernt. Meine Freundin und ich gingen jedes Wochenende ins Irish Pub und flirteten mit ihnen. Wir liebten die Amies, denn sie spendierten immer unsere Getränke (im Gegensatz zu den Deutschen). Ich hatte schon früh davon gehört, dass Amerikaner ungebildet und oberflächlich seien. Ich konnte mir damals nicht wirklich eine Meinung dazu bilden, denn ich war selber ungebildet und wahrscheinlich auch oberflächlich.

Aber eine Erfahrung war doch prägend für mich. Nachdem Andrew, den ich in unserem Irish Pub kennengelernt hatte, wieder nach Amerika zurück ging (ohne mich mitzunehmen), versuchte ich den Kontakt zu seinen Freunden in Berlin aufrechtzuerhalten. Ein Versuch, der kläglich scheiterte, da es deutlich wurde, dass ich anscheinend gar nicht zu deren Freundeskreis gehörte. Für sie war ich nur ein Anhängsel gewesen, mit dem sie ohne Andrew nichts anfangen konnten.

Das war ein Schock für mich, denn in den eineinhalb Jahren davor hatten wir alle eine tolle Zeit miteinander verbracht. Niemals hätte ich gedacht, dass das herzliche und freundschaftliche Verhalten der Amerikaner nicht auch auf eine freundschaftliche Bindung schließen ließ.

Aber so schmerzhaft diese Erfahrung damals auch gewesen sein mag, so wusste ich doch auch, dass das wahrscheinlich nichts mit Oberflächlichkeit zu tun hatte. Ich verstand, dass es hier kulturelle Unterschiede gab, von denen ich einfach keine Ahnung hatte.

Jetzt lebe ich in den USA und komme gerade wieder mit diesem Vorurteil in Berührung. Und zwar kommt es dieses Mal von Andrew selber, der das von sich und seinen Landsleuten behauptet.

Ich erzählte ihm gestern nämlich, wie merkwürdig es doch sei, dass ich solche Schwierigkeiten habe, Amerikanische Freundinnen zu gewinnen. Ich treffe immer wieder Frauen, die ich toll und sympathisch finde und wo die Sympathie anscheinend auf beiden Seiten liegt. Immer wenn ich eine dieser Frauen zufällig begegne (ich lebe in einer Kleinstadt), erzählen sie mir begeistert, dass wir uns unbedingt verabreden müssten. Dann rufe ich sie mehrmals an, lade sie zu einer Fete ein, oder schreibe ihnen Emails aber irgendwie kommt nie etwas zustande. Sie freuen sich jedes Mal sehr, von mir zu hören, aber haben leider keine Zeit, sich mit mir zu verabreden. Ich gebe dann nach ein paar Malen auf, dann begegne ich ihnen wieder zufällig irgendwo und ihre Begeisterung mich zu sehen, überzeugt mich, dass ich es einfach nur noch mehr versuchen muss.

Mit einer von diesen Frauen habe ich das fast drei Jahre so betrieben (siehe meinen Post "Bin ich eine Stalkerin?"). In den drei Jahren waren wir zwei Mal Kaffee trinken, und einmal sind wir zusammen spazieren gegangen. Eine verwirrende Erfahrung und magere Ausbeute für mich, die es in Deutschland gewohnt war, sich regelmäßig mit ihren Freundinnen zu treffen und noch häufiger auszutauschen.

Wann immer ich diese Frauen sehe, verstehe ich ihr Verhalten so, dass sie es gar nicht erwarten können, mich wieder zu sehen. Und wenn dann nichts zustande kommt, haben sie so gute Ausreden, dass ich das nicht als Ablehnung verstehe.

Und gestern sagte dann Andrew: "Wir Amerikaner sind halt oberflächlich". Ich war baff. Wie kam er denn jetzt darauf?

Er sagte dann, dass er jeden Tag mindestens eine Person trifft, wo sie sich gegenseitig begeistert versprechen würden, dass sie sich unbedingt demnächst mal verabreden müssten. Und dann würden sie das nie machen und alle sind glücklich damit.

Tja, es fällt mir offensichtlich immer noch schwer, DIESE Unterschiede voll zu kapieren. Ich weiß ja mittlerweile, dass, wenn ein Amerikaner fragt, wie es mir geht, er eigentlich nur "Hallo" sagt und kein wirkliches Interesse an meinem Wohlbefinden hat. Und jetzt muss ich irgendwie in mein System kriegen, dass, wenn mir hier jemand herzlich und eindringlich sagt, dass wir uns UNBEDINGT BALD wieder sehen müssen, diejenige eigentlich auch nur "hallo" und wahrscheinlich sogar "tschüss" sagt. Solch ein überschwängliches Verhalten sei, laut Andrew, nur eine reine Höflichkeitsfloskel.

Ich glaube immer noch nicht, dass das was mit Oberflächlichkeit zu tun hat. Aber ist es nicht verständlich, dass vielleicht jemand zu dieser Meinung kommen könnte?

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8 Kommentare:

  1. Für mich auch unverständlich. Leider, erscheint es mir wirklich wie soziales prekariat.Höllisch. Worte haben anscheinend keine tiefere bedeutung. FUCK IT

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  2. Ich glaube, dass entscheidene Wort ist "wirklich". Ich möchte mich wirklich mit dir treffen. Möglich?

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  3. Mir erscheinen Amerikaner nicht nur als oberflächlich, sondern nur darauf aus, sich gegenseitig profilieren zu müssen. Wozu? Egobefriedigung vll...

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  4. Das sehe ich auch so. Die Amerikaner sind zwar nach außen hin freundlich und nett , aber an tieferem Austausch über Gefühle etc. nicht interessiert.

    Herzliche Grüße

    Andrea

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    1. Das habe ich auch festgestellt.Richtige Freunde auf die man sich verlassen kann sind her schwer zu finden. Wenn es einem schlecht geht , wollen sie eher nichts von hoeren. Es ist schwer eine richtige Freundschaft aufzunehmen.

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    2. Das stimmt leider. Schade dass es so ist.

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  5. Ich bin Amerikaner und kann das bestätigen...als Volk sind wir GANZ oberflächlich. Ich habe genug Zeit in Europa verbracht, um wirklich einzusehen, wie verkehrt alles bei uns tatsächlich ist. Die Menschlichkeit ist etwas, was in den kleinen amerikanischen Kindern völlig unterdrückt wird, und das Mitgefühl kennen viele Leute überhaupt nicht. Und sogar wenn man sozusagen emotionell "normal" ist, dann wird man zumeist als Freak behandelt. Vielleicht liegt es an dem Schlimmsten des Kapitalismus, aber est is so richtig verkehrt. Zumindest ist dies meistens der Fall in den Oberschichten des Landes, bei den Armen ist es vielleicht was anders. Als emotionell "normal" war ich eigentlich schockiert, das erste Mal das ich eine längere Aufenthalt in Deutschland verbracht hatte, damals als ich an ein "study abroad" Programm teilnahm. Na ja, in diesem Kommentar sagt man, dass es vielleicht eher so an kulturellen Unterschieden liegt, aber ich wollte sowieso drauf hinweisen, dass die Wirklichkeit dieser "Unterschiede" sind vielleicht viel schlimmer, als man normalerweise berichten würde. Und je länger man in den USA wohnt, desto mehr wird man schlimm deprimiert wegen dem Mangel an Kultur, Spaß, Spaziergangsdestinationen, echte Freundschaft, u.s.w. Amerika ist die echte Anti-kultur.

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    1. Geht es dir also in Deutschland besser Andrew ?

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