Sonntag, 7. Februar 2016

Wir sind doch hier nicht bei den Hottentotten!

Ich muss mir meine Lieblingssprüche abgewöhnen, da sie hier als absolut rassistisch gelten.

Krampfhaft versuchte ich meinen Kolleginnen letzte Woche den Spruch mit den Hottentotten ins Englische zu übersetzen. Das war grammatikalisch an sich kein Problem aber dann musste ich noch eine lange Erklärung dazu abgeben, was die Hottentotten eigentlich sind und wofür sie in diesem Ausruf stehen.

Und da wurde es dann peinlich.

Ich erklärte also, dass die Hottentotten die Bezeichnung für einen afrikanischen Stamm sei und sie in diesem Fall für Chaos und Unterentwicklung stehen würden. In der Sekunde, wo ich das sagte, wusste ich, dass ich gerade einen schlimmen Faux Pas begangen hatte.

Andrew hat mich schon öfter darauf hingewiesen, dass ich manchmal Dinge von mir geben würde, die von anderen bestenfalls als politisch unkorrekt, schlimmstenfalls als rassistisch empfunden werden könnten. Er selber findet es lustig, wenn ich so etwas ganz unschuldig vom Stapel lasse. Aber er bittet mich immer wieder, außerhalb des Hauses vorsichtiger zu sein. Ich könnte mit meiner Art Schwierigkeiten bekommen.

Nun habe ich mit meinen Kolleginnen keine Schwierigkeiten bekommen - dieses Mal. Gott sei Dank ist keine von ihnen farbig. Aber obwohl sie zur weißen Mittelklasse gehören, reagieren sie erheblich sensibler auf Bemerkungen, die Farbige oder Minderheiten diskreditieren.

Auch positiv rassistische Bemerkungen, wie "Schwarze sind oft echt gute Läufer" oder "Ich finde, dass Mischlinge immer toll aussehen" oder "Haben schwarze Sänger nicht meistens 'ne geile Stimme?" sind absolut verfemt. Mir ist erst hier klar geworden, wie häufig ich Sprüche gebrauche, die man als rassistisch deuten könnte.

In meinen Zwanzigern hatte ich eine ähnliche Sensibilität entwickelt, was die Vermännlichung der Sprache anging. Mir war extrem wichtig, dass Berufsbezeichnungen geschlechtsspezifisch benutzt wurden. Ich achtete genau darauf, dass ich nicht nur die männlichen Attribute für etwas benutzte und korrigierte jeden, bei dem ich mich das traute. Viele meiner Freunde fanden mein damaliges Engagement mehr als unnötig. Ihr Argument war, dass sie doch wenn sie z.B. "Lehrer, Arzt, Patient, Passant" sagten, Frauen dabei mental einschließen würden. Aber ich war davon überzeugt, dass es Auswirkungen hat, wenn 50% der Bevölkerung sprachlich vernachlässigt wird. Also habe ich etliche Jahre darauf geachtet, wie die deutsche Sprache um mich herum benutzt wurde und mich auch dementsprechend empört, wenn z.B. in Geschichtsbüchern nur über Männer geschrieben wurde oder alle mir bekannten Religionen den Männern eindeutig mehr Macht und Einfluss gaben als den Frauen. Die Sprache war ein Spiegelbild der Gesellschaft. Also wollte ich die Sprache beeinflussen, um damit auch die Gesellschaft zu verändern.

Genauso verstehe ich auch, dass Farbige und andere Minderheiten hier sprachlich nicht mit irgendwelchen Vorurteilen belegt werden wollen, sei es positive oder negative.

Und jetzt bin ich diejenige, die sagt "Aber ich habe das mit den Hottentotten doch gar nicht so gemeint."

Als sich im Büro heute gerade der fünfte krank gemeldet hatte, sagte ich leise zu mir "Das ist ja wie bei den zehn kleinen Negerlein hier". Ich sagte es auf Deutsch, guckte mich erschrocken um, und übersetzte diesen Satz dieses Mal nicht ins Englische.

Himmel, das Umlernen wird schwer für mich werden.

1 Kommentar:

  1. Stimmt, da hat sich so einiges in unseren Sprachgebrauch geschlichen, das heute politisch nicht mehr korrekt ist.
    Auch wir behaupten schnell mal, dass sei doch getürkt oder sähe aus wie bei Hempels unterm Sofa. Die armen Familien, die Hempel heißen ;-)

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