Donnerstag, 18. Februar 2016

Positives Denken: Schwachsinn oder Wunderkur?

Einfach nur positiv zu affirmieren, wenn es einem gerade dreckig geht, funktioniert nicht. Es macht alles nur noch schlimmer. Wenn wir aber nach einem Gedanken suchen, der sich nur ein wenig besser anfühlt, als die Ursprungsgedanken, sind wir bereits auf dem Weg aus der Krise heraus.

In den letzten Tagen habe ich mit starken Frustgefühlen zu kämpfen. Ich hatte mir vorgenommen, etwas zu tun, tue es aber nicht. Seit Wochen bin ich dabei, es aufzuschieben und werde immer wütender auf mich. Ich könnte mir die Haare ausreißen. Zwar weiß ich mittlerweile, an welche innere Barrieren ich gerade stoße aber das ist nicht der Grund, warum ich heute schreibe. Der Grund ist, dass ich wieder mit den Untiefen des positiven Denkens konfrontiert wurde.

Wenn es mir schlecht geht, möchte ich nämlich, dass es mir sofort wieder besser geht. Darum bin ich bereits früher, vor langer Zeit, ein großer Fan des positiven Denkens gewesen. Zu schön war die Vorstellung, dass ich mich nur in eine ruhige Ecke zu setzen brauchte, um mich mit positiven Affirmationen von allen negativen Gefühlen befreien zu können.

Also saß ich in meiner Jugend an so manchen Abenden auf meiner Couch, machte ooohhhhmmmm (naja, nicht wirklich, aber so ähnlich) und sagte mir, wenn ich gerade unter existenziellen Ängsten litt, dass ich reich sei. Wenn ich unter meinem Übergewicht litt, stellte ich mir vor, wie ich grazil wie eine Elfe über die Straßen Berlins schwebte und wiederholte den Satz "Ich bin wunderschön und begehrenswert". Wenn ich Angst vor meiner mobbenden Kollegin hatte, stellte ich mir mit aller Kraft vor, dass sie liebenswert und zuckersüß sei.

Ich war erstaunlich hartnäckig in meinen Bestrebungen, mein Leben durch positives Denken zu verbessern. Aber das Ergebnis meiner Übungen war meistens verheerend. Ich fühlte mich nach so einer Konzentrationsanstrengung meistens ausgelaugt und eigentlich noch hoffnungsloser als ich es vorher schon gewesen war.

Also legte ich das ganze Thema nach mehrjährigen Versuchen ad acta. Anscheinend machte ich etwas falsch oder das Ganze war einfach eine große Lüge. So oder so ruinierte es mir die Laune. Und das war ja nun nicht der Sinn der Sache.

Ich war überzeugt davon, dass positives Denken Schwachsinn sei.

Aber ich werde ja nicht älter, ohne etwas Neues hinzuzulernen. In den letzten Jahren habe ich die Bekanntschaft mit dem Gesetz der Anziehung gemacht, dem "Law of Attraction". Ich meine hier also nicht die Schwerkraft. Das Gesetz besagt, dass die Welt, wir Menschen, einfach alles aus reiner Energie besteht, die schwingt. Und alles hat unterschiedliche Vibrationsfrequenzen. Das gilt für Materie genauso, wie für Gefühle und Gedanken. Und das Gesetz besagt auch, dass sich Vibrationen derselben Art immer anziehen. Wenn ich also z.B. Wut vibriere, dann ziehe ich auch Wut, bzw. wütende Leute, an. Und ich ziehe auch immer mehr und mehr wütende Gedanken an.

Da die Anziehungskraft der einzelnen Frequenzen so stark ist, ist es beinahe unmöglich, von einer Frequenzlage, die z.B. Schmerz bedeutet, direkt auf eine Frequenz der Freude umzuschalten. Denn Schmerz zieht erst einmal weiter schmerzliche Gedanken und noch mehr schmerzliche Gefühle an. Man kann nicht so einfach aus diesem Gravitationsfeld springen.

Wenn ich mich also seit geraumer Zeit nur niedergeschlagen gefühlt habe, weil ich mein Spiegelbild verabscheue und meinen Körper hasse, kann ich mich nicht einfach hinsetzen und "Ooooohhhhmmmm, ich bin wunderschön" denken. Naja, ich kann das schon. Aber was dann passiert, ist genau das Gegenteil von dem, was ich mir erhofft habe. Da der Gedanke, "Ich bin schön", so wahnsinnig weit weg von dem ist, wo ich eigentlich vibrationstechnisch gerade bin, verstärkt dieser Gedanke sogar meine ursprünglichen Hassgedanken. Der Kontrast ist einfach zu groß. Ich werde mir bei so einer Schönheitsmeditation sogar erst recht klar, WIE hässlich ich mich eigentlich wirklich finde.

Und genau darum hatten damals meine Übungen den gegenteiligen Effekt gehabt, den ich eigentlich erreichen wollte.

Die Politik der kleinen Schritte.

Um also von einem Vibrationsfeld zum anderen gelangen zu können, muss man eine Politik der kleinen Schritte verfolgen. Wir brauchen immer eine Leiter, um aus einem Loch klettern zu können. Das heißt, wenn man sich also selber als sehr hässlich empfindet, sollte man statt des Satzes "Ich bin schön" nach einem Gedanken suchen, der sich ein klein wenig besser anfühlt als der schmerzhafte Ursprungsgedanke. Man muss sich gedanklich dort abholen, wo man sich gerade befindet. In diesem Fall könnte der Gedanke "Es wäre schön, wenn ich mich irgendwann einmal annehmen könnte, egal wie ich aussehe." Die erste Sprosse der Leiter sein, die einen aus dem Loch führt. Wenn sich dieser Gedanke tatsächlich ein wenig besser anfühlt, man spürt dann eine Erleichterung, wird dieser bald einen Gedanken nach sich ziehen, der zu derselben Vibrationskategorie gehört. Und nach einer Weile hat man die Kapazität sich auf die Suche nach einem weiteren Gedanken zu machen, der sich wieder ein klitzekleines Bisschen besser anfühlt als der Vorige. Und so bewegt man sich ganz langsam aus dem Loch heraus.

Das ist positives Denken, das funktioniert. Es ist etwas mühselig, aber es funktioniert wirklich.

Und genau weil es ein etwas beschwerlich ist und ein wenig Zeit braucht, sich Gedanke für Gedanke aus einer Krise herauszuarbeiten, scheint diese Methode nicht sonderlich weit verbreitet zu sein.

Obwohl ich es eigentlich besser wissen müsste, erwische ich mich doch noch dabei, wie ich wieder diese Abkürzung nehmen möchte. Aber es ist mir nie möglich, mich mit einem Sprung aus einem Frust-Loch zu befreien.

Ich versuchte nämlich, mich als erfolgreiche Buchautorin zu visualisieren. Mit allem drum und dran: E-Mail-Listen, Abonnenten, Fangruppen, begeisterten Rezensionen und phantastische Klickzahlen auf meinem Blog. Träume muss der Mensch ja schließlich haben, oder? Und was passierte? Es ging mir immer schlechter, bis sich dann alleine beim Gedanken an meine Bücher mein Magen verkrampfte.

Ich habe nämlich Angst vor Versagen, Erfolg, Selbstständigkeit, Professionalität, ja, schlicht vor dem beruflichen Erwachsen werden (und das in meinem Alter). Es ist alles ziemlich diffus und meine Gefühle sind nur schwer irgendwelchen Gedanken und Glaubenssätzen zuzuordnen. Aber mich als erfolgreiche Buchautorin zu visualisieren, brachte meinen Frust nur noch an die Spitze.

Als ich mir dessen endlich bewusst wurde, suchte ich einen Gedanken, der mich nur ein klitzekleines bisschen besser fühlen ließ. Das war schwer - eine wirklich Herausforderung. Es scheint ja so viel einfacher, sich sein Ziel oder Traum visualisieren. Aber wenn ich Angst habe, macht mir die Vorstellung meines Zieles sogar noch mehr Angst. Ich suchte also lange nach einem etwas besseren Gedanken und fand ihn dann auch: "Es könnte sein, dass es mir möglich wäre, vielleicht eine professionelle Autorin zu werden".

Ich weiß, das hört sich nicht spektakulär an. Aber glaubt mir, obwohl dieser Satz zwei Konjunktive und ein "vielleicht" beinhaltete, spürte ich eine gewisse Erleichterung dabei. Und das ist genau das, wonach ich gesucht hatte. Erleichterung von dem Gefühl des Drucks, der Angst, und auch der Selbstverachtung.

Ich bin noch weit entfernt, voller Selbstvertrauen und mit Siegesgewissheit irgendwelche Marketingstrategien auszuprobieren, aber mein erster neuer Gedanke, den ich innerlich immer wieder wiederholte, hatte bald schon neue Gedanken nach sich gezogen, die sich auch wieder ein klein wenig besser als die vorherigen angefühlt hatten. Ich habe auf dieser Leiter noch etliche Sprossen zu erklimmen, aber ich hocke wenigstens nicht mehr auf dem Grund meines Loches. Das heißt, dass ich Hoffnung habe. Nämlich die Hoffnung, dass, egal, was ich für eine Entscheidung bezüglich meiner Schreiberei treffen werde, ich sie nicht aus Angst heraus treffen muss.

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