Schnell ein paar Pfunde abzunehmen scheint für die meisten die nächste Lösung zu sein, wenn sie sich auf Fotos für hässlich und zu dick halten. Aber wenn wir uns selber ablehnen, hat das meistens noch ganz andere Gründe als das, was wir meinen auf einem Bild wahrnehmen zu können.
Letzte Woche hat mir meine beste Freundin ein Bild von sich zugeschickt und einen verzweifelten Kommentar dazu geschrieben, der mich ihren Schmerz darüber erahnen ließ. Ich konnte ihre Verzweiflung, Hilflosigkeit und Selbsthass förmlich selber spüren, so gut erinnerte ich mich daran, wie ich mich selber fühlte, als ich früher Bilder von mir sah.
Fast mein ganzes erwachsenes Leben war ich übergewichtig. Am Ende wog ich 155 kg und war mir sicher, dass ich einen frühen Tod sterben würde. So groß meine Sorge um meine Gesundheit auch gewesen war, die wirkliche Verzweiflung spürte ich aber oft erst, wenn ich mich mal wieder auf einem Foto sah.
Diese dicke ältliche Frau, das war ich? So sah ich wirklich aus? Natürlich wusste ich, dass ich dick war. Schließlich musste ich mein Übergewicht ja jede Sekunde mit mir rumschleppen und ich sah mich auch jeden Tag im Spiegel. Und trotzdem war es noch mal etwas anderes, wenn ich mich auf Bildern sah.
Aber es war nicht allein die Tatsache, dass ich mich hässlich fand, die mir so weh tat. Dazu kamen noch die Wut und mein unendlicher Selbsthass. Schließlich war ich selber für mein Übergewicht verantwortlich. Niemand kann ermessen, wie sehr ich mich dafür hasste, dass ich mein Essverhalten einfach nicht kontrollieren konnte.
Und dann war da noch etwas: Wann immer ich mich auf einem Bild sah, war da dieses Gefühl, dass das nicht wirklich ich war. Ich meine das in dem Sinne, dass diese dicke schwerfällige Frau nicht wirklich mich repräsentierte. Dieser Körper spiegelte nicht im Mindesten diejenige wieder, die ich war. Ich hatte keine Ahnung, wie ich aussehen würde, wenn er mein wirkliches Ich wiederspiegeln würde, aber SO bestimmt nicht.
Als meine Freundin mir ihr Foto schickte, fiel mir aber auch auf, wie sehr wir Frauen uns nur über unser Aussehen definieren. Ein Bild ist doch eigentlich nur ein Schnappschuss, eine eingefrorene Millisekunde, und trotzdem hat es die Macht, uns in Depressionen zu stürzen. Meistens sehen wir ja gar nicht so schlimm aus, wie diese Bilder es uns glauben machen wollen. Und selbst wenn sie ein Abbild der Realität wären, wie kann es nur sein, dass ich manchmal ernsthaft Selbstmord erwog, wenn ich mich auf solchen Bildern sah? Ich meine, mal ehrlich, wo bleibt denn da der Rest von mir?
Bei meiner Freundin fielen mir zig Eigenschaften ein, die sie für mich wertvoll machen. Keine davon waren auf dem Bild von ihr zu erkennen. Das wissen wir natürlich, aber wieso kann unser gesamtes Wohlbefinden, unsere Lebensqualität davon abhängen, wie wir aussehen?
Für mich ist diese Antwort einfach: Weil es nicht nur das Aussehen ist, dass ich an mir verdammte. Natürlich fand ich mich abstoßend. Natürlich wollte ich hübsch und attraktiv und beweglich und fit sein. Aber das alleine war es nicht. Mein Aussehen war sichtbarer Beweis für meine Charakterschwäche, für mein Versagen, weil ich mein Essverhalten nicht kontrollieren konnte. Ja, es stand sogar für meine Dummheit, denn es musste doch Dummheit sein, wenn ich immer wieder Dinge aß, von denen ich wusste, dass ich zunehmen würde. Mein Abbild stand für meinen ganzen Charakter. Und ich glaube, so geht es vielen Frauen.
Wenn wir uns hässlich finden, es uns aber weiter nichts ausmacht, dann ist da auch weiter nichts tragisch. Finden wir uns aber hässlich und das stürzt uns fast in Depressionen, dann steckt da weit mehr dahinter, als einfach nur ein paar Pfunde. Dann geht es ums Eingemachte. Ich glaube, selbst wenn die ersehnten Pfunde abgenommen werden, wird es das dahinterliegende Problem nicht lösen und die Pfunde werden wieder kommen.
Wenn du darunter leidest, wie du aussiehst, mache dich erst mal auf den Weg, deine anderen Probleme zu lösen. Natürlich verspricht eine Diät eine schnelle Lösung. Aber du wirst feststellen, wenn du nur diätest und sonst nicht weiter nach den Ursachen forschst, wirst du bald wieder dieselbe Not haben, wie zuvor.
Bei starken Gefühlen des Selbsthasses, der Traurigkeit und Verzweiflung gibt es keinen Quick-Fix. Diese Gefühle aufzulösen, dauert etwas länger. Schnelle Lösungen verlängern das Leiden nur.
Glaubt es mir, ich spreche aus Erfahrung.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen