Donnerstag, 5. Februar 2015

Ausländerin

Ich lebe an der Ostküste der USA im Bundestaat Maine. Der liegt gleich neben Kanada. Die Kriminalitätsrate ist hier die niedrigste in den USA und recycled wird hier auch. Die Leute sind toll hier: freundlich aber auch mit einer gewissen Distanz. Das heißt, du wirst eigentlich in Ruhe gelassen aber kleine freundliche Bemerkungen zwischen Fremden werden gerne ausgetauscht. Und IMMER, wenn bemerkt wird, dass jemand Hilfe braucht, stürmen zig starke Männer herbei (und das nicht nur, wenn Frauen in Not sind). Die Männer halten den Frauen die Tür offen und helfen ihr in den Mantel. Mein Mann kommt immer aus dem Haus raus und hilft mir meine Einkaufstüten vom Auto ins Haus zu schleppen.

Ich habe mich von Anfang an sehr wohl mit diesem Menschenschlag gefühlt. Die Mainer gelten in den USA als kalt, distanziert und verschroben. Das konnte ich am Anfang nicht nachvollziehen, bis ich mich mit ein paar Südstaatlern unterhalten hatte, die mir schilderten, wie anders man in ihrer Heimat miteinander umgeht. Dort gehen die Menschen anscheinend sehr aufeinander zu. Ein Südstaatler fühlt sich in Maine wahrscheinlich so, wie sich bei uns ein Italiener in Hamburg fühlen würde. Für mich sind die Mainer genau richtig. Ich fühle mich wohl hier. Es könnte gar nicht besser sein.

Und doch kann ich bis jetzt nur eine einzige Amerikanerin als meine Freundin bezeichnen.

Das mag an mir liegen. Das will ich gar nicht bestreiten. Denn kaum einen Monat, nachdem ich hierher gezogen war, fand ich den deutschen Stammtisch, der sich alle zwei Wochen regelmäßig traf. Dort fanden sich erstaunlich viele Deutsche und Amerikaner ein, die ihr fließendes Deutsch nicht einrosten lassen wollten. Die ersten eineinhalb Jahre verpasste ich keinen einzigen Abend, so gut tat es mir, einen Abend lang nur Deutsch zu sprechen und zu hören. An solchen Abenden merkte ich erst, wie anstrengend es für mich war, ständig in einer Fremdsprache zu leben. Dabei war mein Englisch schon fließend bevor ich hierher gezogen war.

Ich lernte also viele Deutsche kennen, die alle in meiner Nähe wohnten und befreundete mich sofort mit ein paar Frauen an. Auch wenn sie mir sicher noch nicht so nah sind, wie die Freundinnen, die ich in Deutschland zurückgelassen habe und mitunter schon seit Jahrzehten kenne, hoffe ich sehr, dass wir auf dem Weg dahin sind.

Als ich letzte Woche meinen Geburtstag feierte hatte ich nur deutsche Frauen eingeladen. Und ich dachte danach, wie typisch das doch für Ausländer ist, sich immer mit Ihresgleichen zusammenzutun. Ich bin Berlinerin und in Vierteln aufgewachsen, wo der Anteil türkischer und jugoslawischer Kinder in manche Klassen höher war als der von deutschen Kindern. Es gibt Teile von Berlin, in denen man nicht merken würde, dass man auf deutschen Straßen wandelt. Alle Geschäfte werden von Türken oder Arabern oder anderen Nationalitäten betrieben und man ist von kosmopolitischem Sprachgewirr umgeben. Ich fand das toll. Und ich hatte auch immer verstanden, dass z.B. Türken gerne mit Türken und Ghanaer mit Ghanaer zusammen blieben. Schließlich war deren Kultur eine völlig andere als die unsere. Das fing ja schon bei der Religion an.

Aber hier in Maine ist der kulturelle Unterschied für mich wirklich kaum zu spüren. Ich passe hier nahtlos ins Gefüge, wenn man mal von meinen deutschen Akzent absieht. Und trotzdem habe ich es in den Jahren, die ich hier wohne nur bei einer Amerikanerin geschafft, sie wirklich Freundin nennen zu können

Ist es die Tatsache, dass Englisch niemals so sehr mit mir verbunden sein wird, wie meine Muttersprache? Ich merke, dass ich emotional mit den englischen Worten nicht so eng verbunden bin, wie mit den deutschen. Gewisse Schimpfworte lösen bei mir im Englischen nur eine theoretische Empörung aus, wenn sie gegen mich verwandt werden sollte. Mir sagte mal ein nicht so freundlicher Mainer (ja, die soll es auch geben) "Shut the fuck up". Ich wusste, dass man so etwas nicht sagt und spielte die Empörte. Aber ehrlich gesagt, hatte mich das ziemlich kalt gelassen. Wenn aber jemand zu mir sagen würde "Halte deine verfickte Fresse" sähe die Sache ein wenig anders aus. Dies von jemandem zu hören, würde bei mir Gefühle auslösen. Entweder Angst oder Ärger. Je nachdem wer mir das sagt.

Ich bin also, wenn ich Englisch spreche und höre emotional distanzierter und habe es schwerer, Nähe herzustellen. Das fällt mir mit den deutschen Frauen natürlich überhaupt nicht schwer.

Nun habe ich aber schon in jungen Jahren von dem Gerücht gehört, dass die Amerikaner sehr oberflächlich sein sollen. Ein Gerücht, dass ich bis jetzt nicht bestätigen kann. Aber vielleicht ist der wahre Kern dieses Gerüchts, dass manche von ihnen auf eine andere Art Beziehungen herstellen und Freundschaften aufbauen. Meine Beobachtung ist, dass sie das Wort Freundschaft anders zu definieren scheinen als ich. Die Amerikaner, die ich kennengelernt habe, bezeichneten oft jemanden als Freund oder Freundin, der für mich nur ein Bekannter wäre. Aber dann legen sie sich für diese Freundin/Bekannte plötzlich ungeheuerlich ins Zeug, wenn diese Hilfe braucht. Sie engagieren sich so sehr, wie ich das wiederum nur von sehr guten Freunden erwarten würde.

Als Berlinerin war es selbstverständlich für mich, dass die Menschen der verschiedenen Nationalitäten zusammenrückten. Und hier, in den USA fühlt es sich für mich wirklich gut an, dass ich meine deutschen Frauen habe. Auch ihnen habe ich es zu verdanken, dass ich mich so wohl hier fühle.

Aber ich wünschte mir, dass ich mich genauso leicht mit amerikanischen Frauen befreunden könnte. Irgendwie habe ich ein schlechtes Gewissen, dass ich mich nicht besser integriere. Aber da ich nicht genau weiß, wie ich es besser machen könnte, werde ich wohl erst einmal so weiter machen wie bisher. Wer weiß, vielleicht ist es ja nur eine Frage der Zeit?

Karina

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Find this article also in English- The Challenges of Being a Foreigner- Die englische Version dieses Artikels

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