Mittwoch, 8. April 2015

Wie soll man lieben, was man eigentlich hasst?


Egal in welcher Art von Selbsthilfeliteratur ich auch blättern mag, alle sind sich darin einig, dass jede Problemlösung damit beginnt, das Problem vollkommen anzunehmen. Wir sollen das Problem akzeptieren und sogar lieben lernen.

Bäh!

Ja, genau das denke ich. Das ist immer meine erste Reaktion darauf. Ich weiß, ich müsste es besser wissen, aber am Anfang sträubt sich einfach alles in mir, mein Problem anzunehmen. ICH WILL ES EINFACH NICHT HABEN. PUNKT!

Dafür gibt es mehrere Gründe. Erst einmal kommt bei mir gleich der Gedanke hoch, dass ich das Problem ja nie loswerde, wenn ich es auch noch annehme, geschweige denn liebe. Irgendetwas in mir haftet immer noch dem Glauben an, dass, wenn ich ein Problem nur stark genug bekämpfe, es dann auch verschwinden wird. Ich habe noch nie erlebt, dass das für mich stimmt, aber ich falle immer noch auf diesen Glauben rein (zumindest zeitweise).

Und, wie zur Hölle, kann ich etwas lieben lernen, bei dem ich mich gerade so schlecht fühle?

Es ist jedes Mal aufs Neue für mich eine Herausforderung, mich überhaupt erst einmal einem Problem zu stellen. D.h. ich darf es nicht mehr verdrängen oder darüber jammern. Ich hoffe immer, dass sich die Angelegenheit von selber lösen wird. Manchmal tut sie das auch. Aber oft eben auch nicht. Und wenn so ein Problem mich über Monate und Jahre begleitet, dann heißt es ganz eindeutig, dass die Angelegenheit nicht von selber verschwinden wird.

Ein Beispiel:
Als ich noch in Deutschland lebte, hatte ich einen Job in einer tollen Firma. Aber in der Abteilung, in der ich arbeitete, war es weniger schön für mich. Ich hatte mehrere Vorgesetzte und einer von ihnen war ein wenig desorganisiert und leicht reizbar (aber andererseits auch lustig und gesellig). Es fiel mir schwer, für ihn zu arbeiten, auch wenn ich ihn als Mensch ganz nett fand. Hinzu kam, dass ich generell meine Tätigkeit als Sekretärin überhaupt nicht mochte. Ich langweilte mich zu Tode obwohl ich ständig in Arbeit nur so versank. Außerdem schämte ich mich vor mir selber, da ich es bis jetzt "nur" bis zur Sekretärin gebracht hatte. Zusätzlich gefiel mir die Atmosphäre in dieser Abteilung nicht. Es war hektisch und die Kollegen waren oft gestresst und unfreundlich.

Monatelang ging ich jeden Morgen mit einem Druck im Magen zur Arbeit. Ich wollte dort nicht sein. Aber andererseits war ich dort quasi unkündbar und das Gehalt war gut und ich bekam 8 Wochen Urlaub (zwei Wochen davon nannte man AZV, aber das erkläre ich jetzt nicht näher). Ich konnte mir nicht vorstellen, diese Vorteile aufzugeben.

Irgendwann beschloss ich, dass ich aufhören wollte, mich schlecht zu fühlen. 

Also suchte ich nach einer Möglichkeit, mich besser zu fühlen, obwohl ich mich wie in einer Falle fühlte. Ich konnte damals keinen Weg finden, mich davon zu überzeugen, dass mein Job großartig war. Aber ich konnte ein paar bestimmte Tätigkeiten in meinen Job identifizieren, die ich ganz besonders hasste. Ich beschloss, wann immer ich diese Tätigkeiten ausüben oder auch nur an sie denken musste, bewusst andere Gefühle hervorzurufen, als die alt vertrauten Gefühle von Wut und Verzweiflung.

Als Vorbereitung suchte ich mir eine Szene aus meinem Leben heraus, bei deren Erinnerung ich nur Freude und Leichtigkeit empfand. In diesem Fall war es ein phantastischer Urlaub, den ich ein paar Jahre zuvor in Spanien verbracht hatte. Sobald ich also wieder einmal 200 Rechnungen abheften sollte, holte ich meine wunderschöne Erinnerung hervor und versuchte so lang und intensiv wie möglich daran zu denken, bis die Aufgabe erledigt war.

Das hört sich genauso schwer an, wie es ist. Es braucht Konzentration und darin bin ich echt nicht gut. Aber trotzdem funktionierte es nach einer Weile. Wo vorher nur starke Gefühle von Ablehnung, Hass, Traurigkeit und Hilflosigkeit waren, machten sich leichtere Gefühle breit.

Das machte ich ein paar Wochen und irgendwann stellte ich fest, dass ich Rechnungen ohne besondere Gefühle ablegen konnte. Ich liebte es immer noch nicht, aber ich war auch nicht mehr so furchtbar wütend darüber, dass ich es machen musste. Es war toll. Es war eben wie Zähneputzen: Langweilig aber nicht weiter dramatisch.

Wie gesagt, nach ein paar Wochen war ich in viel größeren Frieden mit mir und meinem Job und meiner Abteilung. Ich konnte jetzt alles wesentlich besser annehmen. Es kostete mich keine Kraft mehr, meine Tätigkeiten zu machen, da das emotionale Drama verschwunden war.

Aber das Beste kommt noch:
Etwa drei Monate später kam eine andere Abteilung auf mich zu und wollte mich unbedingt abwerben. Es war die beste und relaxte und interessanteste Abteilung des Hauses. Ich bekam mehr Geld, mehr Prestige (ich liebe Prestige) und arbeitete fortan auf internationaler Ebene. Der Job war viel entspannter und interessanter, obwohl ich immer noch im Sekretariat saß. Wer hätte gedacht, dass sowas möglich wäre?

Und so ist es meiner Erfahrung jedes Mal. Wann immer ich es schaffe, ein Problem so zu verwandeln, egal mit welcher Methode, dass ich meinen Frieden damit gefunden habe, verändert sich etwas in meinem Leben zu meinen Gunsten.

Ich habe jetzt einen ähnlichen Fall mit meinem jetzigen Job. Ich werde davon berichten, sobald ich Veränderungen wahrnehmen sollte. Noch ist alles zu frisch. Ich bin noch ziemlich am Anfang hier. Aber ich weiß, wenn ich den richtigen Weg für mich finde, mit diesem Problem umzugehen, werden Veränderungen auf mich zukommen.

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