Freitag, 13. Februar 2015

Sport ist Mord

Ich behaupte ja, dass alles in meinem Leben darauf hinausläuft, wie ich mich fühle. Fühle ich mich gut, könnte ich Bäume ausreißen und strotze nur vor Optimismus und Energie und Ideen. Fühle ich mich traurig, frustriert, alleine, minderwertig usw. ist das Gegenteil der Fall. Ist doch logisch, oder? Darum bin ich auch so daran interessiert, Methoden zu finden (und sie dann auch tatsächlich anzuwenden), die mir helfen, nicht nur über meine Tiefs hinwegzukommen sondern auch dafür sorgen, dass ich nicht mehr in dieselben Gedankenfallen stapfe, die mich so schwermütig gemacht hatten.

Und das ist genau der Grund, warum ich keinen Sport mache.

Ich bin schon als Teenager übergewichtig gewesen. Obwohl ich damals bei Weitem noch nicht das Gewicht drauf hatte, wie später als Erwachsene, fiel ich zwischen den anderen in meiner Klasse auf - ganz besonders im Sportunterricht. Während meine zierlichen Mitschülerinnen, die oft auch kleiner waren als ich, elegant und mit sichtbarer Leichtigkeit ihre Runden joggten, wobei sie miteinander dabei intensiv ihre neuesten Dramen diskutierten, lief ich alleine hinterher. Ich keuchte bereits nach wenigen Metern mit asthmatischen Untertönen und hätte mich NIEMALS auch noch dabei mit jemandem unterhalten können. Mir wurde heiß, mein Gesicht wurde puterrot und ich fing an zu schwitzen. Nie sah ich eine meiner elfenhaften Mitschülerinnen rot werden oder schwitzen. Ich schämte mich bei jeder Sportstunde und lernte mich immer mehr und mehr dafür zu abzulehnen, dass ich so schwer und hässlich war. Was mich natürlich dazu brachte, meinen Schmerz bei nächster Gelegenheit mit so viel Essen, wie möglich, zu betäuben.

Während meiner ganzen Schulzeit war Sport für mich nur ein Auslöser für Gefühle der Scham und des Selbsthasses. Aber gleichzeitig wurde mir auch beigebracht, dass Sport ja ach so gesund sei. Wenn der Mensch keinen Sport macht, wird er krank und stirbt einen elenden und frühen Tod. Also habe ich auch nach meiner Schulzeit, obwohl ich immer dicker wurde, stets irgendetwas sportliches gemacht: Tanzkurse, Gymnastikkurse, Fitnessstudio, Nordic Walking, usw. Da ich aber immer mehr zunahm, wurden auch meine Schamgefühle und mein Selbsthass immer größer, wenn ich solchen Aktivitäten nachging. Überall, wo ich hinkam, war ich die keuchende, schwitzende Dicke.

Jetzt bin ich normalgewichtig. Ich falle nirgendwo auf, auch wenn ich im Fitnessstudio schwitze und keuche. Das tun auch andere dort.

Das Problem ist jetzt aber, dass mein ganzes Unterbewusstsein bei jeglicher Bewegung, die mich auch nur etwas anstrengt und mir die Röte und vielleicht sogar Schweißperlen ins Gesicht treibt, immer noch auf Scham und Selbsthass programmiert ist.

Mein aktuellster Versuch war letztes Jahr. Ich bin tatsächlich für ein halbes Jahr mindestens zwei Mal wöchentlich ins Fitnessstudio auf den Crosstrainer gestiegen und habe Gewichte gestemmt. Und jedes Mal war es eine furchtbare Überwindung für mich. Nichts konnte mich von den Gefühlen der Minderwertigkeit ablenken, die unweigerlich bei mir hochkamen, wenn ich mich physisch anstrengte.

Jetzt befinde ich mich also in einer "Schlecht-Fühl-Falle": Wenn ich Sport mache, geht es mir schlecht, weil alte Gefühle von Minderwertigkeit hochkommen und wenn ich keinen Sport mache, habe ich Angst, dass ich mir gesundheitlich schade.

Ich bin überzeugt davon, dass es für mich ungesund ist, wenn ich etwas mache bei dem ich mich so schlecht fühle, egal, wie sehr Mediziner und Gesellschaft behaupten, dass es gut sei. Sport soll ja unter anderem stressabbauend sein aber ich bin danach für Stunden noch schlecht gelaunt und deprimiert, was für mich kein Zeichen dafür ist, dass ich Stress abgebaut habe. Das bisschen Bewegung, dass ich mir da abgezwungen habe, konnte nicht die psychische Belastung aufwiegen, die genau diese Bewegung bei mir verursacht hatte. Es ist nicht gesund, wenn ich mich selber vergewaltige. Aber ich bin davon überzeugt, dass es gesund ist, wenn ich liebevoll mit mir umgehe.

Liebevoll mit mir umgehen heißt in diesem Falle, zu lernen, darauf zu vertrauen, dass ich gesund bleiben werde auch wenn ich keinen Sport treibe. Dafür esse ich so gesund, wie nur wenige Menschen in meinem Umfeld, ich rauche und trinke nicht und meine gute Laune wird auch nicht mehr durch regelmäßige Fitnessstunden unterbrochen.

Für mich ist es wesentlich angenehmer, keinen Sport zu machen. Zwar bin etwas in Sorge, aber dieses Gefühl ist bei weitem nicht so stark ausgeprägt, wie die negativen Gefühle, die bei mir während jeglicher körperlicher Aktivität hochkommen.

Und schließlich wissen wir doch alle, dass Fitness nicht der einzige Grund ist, warum Menschen gesund bleiben. Fitness schützt nicht vor einem frühen Tod oder Krankheit. Sport ist toll und gesund, wenn es Spaß macht. Wenn nicht, dann ist Sport vielleicht kein Mord aber es verdirbt einem die Laune und damit auch den Tag und damit auch die Lebensqualität.

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