Ich hasse Meetings. Ganz besonders wenn ich nur einen Bruchteil davon verstehe. Aber noch mehr hasse ich, dass man mir anscheinend ansieht, dass ich sie hasse.
Bei mir auf der Arbeit ändert sich personell gerade etwas. Eine Vorgesetzte geht, die andere ist befördert worden und jemand Neues soll eingestellt werden.
Ich habe das baldige Ausscheiden von meiner Vorgesetzten Belinda dazu genutzt, ein ehrliches Feedback von ihr über mich zu bekommen. Eine seltene Gelegenheit, denn normalerweise sind Amerikaner mit Kritik sehr zurückhaltend, dafür loben sie aber viel.
Belinda teilte mir ihre Beobachtung mit, dass ich beim wöchentlichen Firmenmeeting aussehen würde, als wenn ich mich sehr langweile. Ein Eindruck, der sich außerordentlich negativ auf mich auswirken würde.
Ich war über diesen Kommentar nicht sonderlich überrascht. Denn schließlich langweilte ich mich in diesen Meetings wirklich zu Tode - hauptsächlich, weil ich so gut wie nichts verstehe. Aber leider sieht man mir meine Gefühle immer sehr gut an. (Meine Freunde meinen, ich solle mich gefälligst zusammenreißen – da ich aber nicht weiß, was ich in solchen Momenten eigentlich TUE, um diesen schlechten Eindruck zu machen, könnte man mir auch raten, einfach mal schnell meine Hautfarbe zu ändern. Da wäre ich dann genauso ratlos).
In diesen Sitzungen sind mehrere Angestellte über das Telefon zugeschaltet. Die Verbindung ist meist schlecht, so dass ich schon akustisch Schwierigkeiten habe, meine Kollegen zu verstehen. Hinzu kommt, dass die meisten meiner Kollegen lauter Ingenieure sind, die über Dinge reden über die ich sowieso keine Ahnung habe.
Die ersten Jahre habe ich mir bei diesen Meetings noch große Mühe gegeben, zu verstehen, wovon diese Menschen eigentlich redeten. Aber ungefähr vor einem Jahr habe ich aufgegeben. Das Problem ist aber, wenn ich mich langweile, gibt es bei mir zwei Reaktionen, die ich leider nicht vermeiden kann: Entweder ich werde todmüde und muss meine Augen dazu zwingen, dass sie offen bleiben oder ich werde sauer, denn ich hasse Langeweile. Nichts ist schlimmer für mich.
Aber wie muss ich auf meine Kollegen wirken, wenn ich entweder kurz vor dem Einschlafen bin oder andererseits anscheinend Wut ausstrahle?
Irgendwie muss ich mich in diesen unsäglichen Meetings anders präsentieren. Da ich meine Gefühle anscheinend nicht verstecken kann (ich weiß, dass andere sich in diesen Meetings auch langweilen, aber das scheint niemanden zu stören), muss ich meine Gefühle verändern, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Und da hilft mir wieder einmal die Gewaltfreie Kommunikation. Ich muss mir also folgende Fragen stellen:
1. Was brauche ich, damit ich mich in den Meetings besser fühlen kann (und dann hoffentlich auch freundlicher wirke)?
Es ist nicht so, dass ich mir diese Frage nicht schon früher gestellt habe. Aber ich war bei der Beantwortung dieser Frage meistens nicht sehr produktiv. Da ich so frustriert war, kamen immer nur Antworten wie: „Egal, was ich tue, ich kann ja sowieso nichts daran ändern.“ oder „Niemand versteht mich.“ oder „Alle sind viel intelligenter als ich, wie soll ich da irgendetwas ändern können?“
Meine Versuche, den Leuten zu folgen, waren halbherzig und von Gefühlen des Selbstmitleides begleitet und haben darum auch keinen sonderlichen Spaß gemacht. Also habe ich es bevorzugt in die Langeweile oder Wut zu gehen, nur damit ich meine Hilflosigkeit nicht spüren musste.
Welche unerfüllten Bedürfnisse stecken also hinter all diesen Gefühlen? Ich fühle mich von den Anderen getrennt und nehme das zum Anlass, mich abzuwerten. Ich habe also ein großes Bedürfnis, mich mit meinen Kollegen und der Firma verbunden zu fühlen. Ich möchte mich als Teil von ihnen empfinden.
2. Was kann ich konkret tun, um mich mehr mit meinen Kollegen und den besprochenen Themen verbunden zu fühlen?
Ich werde etwas versuchen, was ich schon früher versucht habe. Aber vielleicht klappt es ja mit meiner neuen Einstellung besser? Ich werde mir als erstes das Protokoll der letzten Sitzung vor jedem Meeting gründlich einverleiben und es mit in die Sitzung nehmen. Ich werde den Verlauf der aktuellen Sitzung anhand des Protokolls der letzten nachverfolgen. Ich werde mir auch während des Meetings wieder Notizen machen. Falls ich Fragen habe, werde ich sie nach dem Meeting stellen. (Das hatte ich mich früher nie getraut, aber jetzt kann ich mir das schon eher vorstellen.)
Und wenn sich herausstellen sollte, dass diese Strategie mir nicht weiter hilft, verspreche ich mir hiermit, dass ich dann nach einer neuen Strategie Ausschau halten werde. Ich werde nicht noch einmal einfach aufgeben. Ich weiß aus Erfahrung, wenn ich nach einer Lösung suche, finde ich auch immer eine.
Das wäre doch gelacht, wenn das nicht zu schaffen wäre, oder?
Oh, ja. Mir fällt es auch sehr, sehr schwer in todlangweiligen Meetings so zu tun als würde es mich brennend interessieren. Vor allem, wenn die Runden nicht zielführend sondern ausufernd und voller Selbstdarstellung sind, wenn man sich nicht ausreden und einen Gedanken zu Ende formulieren lässt usw. Gerne nenne ich dann in Gedanken meine überwiegend männlichen Kollegen "Ritter der Schwafelrunde".
AntwortenLöschenManchmal denke ich, man muss das Ganze wie eine Szene aus der Muppets-Show betrachten. Dann geht es einem schon deutlich besser ;-)