Ich habe bereits mit 5 Jahren gewusst, was ich werden wollte: Tierärztin. Meine ganze Kindheit hindurch pflasterten Tierposter die Wände meines Kinderzimmers und ich abonnierte Zeitschriften wie den Tierfreund, um mich auf dem Laufenden zu halten. Kein Detail der Tierwelt war mir zu banal, egal, ob es um das Paarungsverhalten irgendeiner exotischen Spinne ging oder den Speiseplan eines Orang Utans. Ich wollte alles wissen, denn ich wusste, dass mein Lebensweg mir vorgezeichnet war. Ich würde mein Leben lang große und kleine Tiere heilen.
Und dann wurde ich 14 und merkwürdige Krankheiten machten sich bei mir breit. Ich musste ständig husten und röcheln, meine Augen juckten, und nachts bekam ich kaum noch Luft. Als ich eines Nachts ins Krankenhaus gebracht werden musste, weil ich vor lauter Atemnot blaue Lippen hatte, stellte sich heraus, dass ich Asthma hatte.
Aber das war noch nicht das Schlimmste für mich. Schlimm war, als man herausfand, dass es sich um ein allergisches Asthma handelte. Und leider stellte sich heraus, dass ich auf alles Mögliche allergisch war: Auf Staub, Pollen (Früh-, Mittel-, und Spätblüher), Kernobst, Nüsse, und . . . . auf Tierhaare.
Ich glaube, ich brauchte etwa zwei Jahre, bis ich die volle Tragweite davon begriff. Ich konnte keine Tierärztin mehr werden.
Eine Welt brach für mich zusammen und ich hatte kein Ziel mehr. Ich machte mein Abi und schrieb mich in der Uni ein, ohne zu wissen, wohin ich beruflich eigentlich wollte.
Mit Ende Zwanzig ergriff mich dann aber doch noch mal eine Leidenschaft: Ich wollte Hebamme werden. Ich arbeitete hart, um in einem der Krankenhäuser für die Ausbildung angenommen zu werden. Ich hatte schon den Ausbildungsvertrag in den Händen, als er dann vor meinen Augen von der Betriebsärztin zerrissen wurde, weil ich ihrer Meinung nach zu dick für diesen Job war.
Das war es dann mit der Leidenschaft für irgendeinen Beruf.
Seitdem schlage ich mich mit Jobs durch, die absolut ok aber meistens langweilig sind. Oft bin ich unterfordert und immer auf der verzweifelten Suche nach einer Aufgabe in meinem Leben, die mich erfüllt. Es blieb die Sehnsucht danach, etwas Besonderes zu machen und eine wirkliche Berufung haben zu wollen.
Ich bin jetzt fast fünfzig. Und eigentlich sollte ich alle Karrierewünsche ad acta gelegt haben. Schließlich kann man in dem Alter ja nichts mehr groß erreichen. Und trotzdem habe ich immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben, eine Arbeit zu finden, die mir riesigen Spaß macht und worin ich richtig gut bin. (Natürlich werde ich in meiner Vision auch exorbitant gut dafür bezahlt).
Aber jetzt haben sich für mich ein paar Spielregeln geändert.
Denn jetzt lebe ich in den USA. Hier ist das Berufsleben mit 50 noch lange nicht zu ende. Viele arbeiten hier noch mit 70 oder 80, weil sie nicht genug Rente bekommen. Daher sind Arbeitgeber, was die Altersgrenze von Angestellten angeht, viel toleranter. Ich kenne eine Frau, die noch mit 61 eine total neue Karriere angefangen hat und jetzt mit 70 immer noch nicht in Rente gehen will, weil ihr Job gerade so gut läuft und sie richtig viel Geld damit macht.
Hinzu kommt, dass hier einem das Quereinsteigen leichter gemacht wird. Natürlich wird ein abgeschlossenes Studium hier hoch angesehen und bestimmte Karrierewege kann man normalerweise ohne einen Abschluss nicht erklimmen. Aber es gibt immer wieder Ausnahmen. Denn neben den Scheinen und Zertifikaten zählt hier auch, wie man arbeitet und wie kompatibel man ist.
Und jetzt komme ich.
Als ich vor vier Jahren hierher zog, habe ich nicht erwartet, dass meine Ausbildung und Erfahrung, die ich auf dem deutschen Arbeitsmarkt erworben hatte, anerkannt wird. Aber weit gefehlt! Die Arbeitgeber, die sich für mich interessierten, riefen sogar meine vorherigen Arbeitgeber in Deutschland an, um eine persönliche Einschätzung über mich zu bekommen. (So macht man das hier. Man bekommt keine Zeugnisse, sondern es werden telefonische Erkundigungen über einen eingeholt). Hinzu kommt, dass Deutsche in den USA einen guten Ruf bei den Arbeitgebern haben.
Und tata, ich bekam einen guten Job in der Buchhaltung einer tollen kleinen Firma. Am Anfang war ich auch sehr glücklich und erleichtert, aber dann fing ich mich, wie immer, an zu langweilen.
Aber jetzt bin ich befördert worden. Allerdings werde ich jetzt in zwei Bereichen arbeiten, von denen ich NULL Ahnung habe. Mein Arbeitgeber will mich aber so lange schulen, bis ich fit bin.
Ich habe meine Berufung immer noch nicht gefunden, aber im Moment bin ich trotzdem sehr glücklich. In den letzten Jahren ist mir nämlich ein Verdacht gekommen. Wenn ich so zurückdenke, dann war ich immer dann am glücklichsten, wenn ich etwas Neues dazu lernen konnte. Es war so ziemlich egal, was es war, Hauptsache es fühlte sich neu an. Wer weiß, vielleicht wäre ich ja auch als Tierärztin irgendwann einmal unglücklich geworden, wenn ich mich gelangweilt hätte?
Ich werde es nie wissen. Aber jetzt weiß ich, dass viel Neues auf mich zukommen wird und es gibt niemanden, der sich gerade glücklicher und erfüllter fühlen könnte als ich! Wer weiß, vielleicht ist ja nicht eine bestimmte Tätigkeit meine Berufung sondern das Lernen an sich? Wer hätte das gedacht?
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Find this article also in English- I'm almost 50 and my dream job is still not here - Die englische Version dieses Artikels
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