Dienstag, 30. Juni 2015

Eine spontane Abneigung

Wie kann ich mit jemandem eine freundliche und freundschaftliche Beziehung pflegen, den ich eigentlich von Anfang an nicht leiden kann? Nicht immer ist es möglich, solchen Menschen auszuweichen.

Ich habe vor zwei Wochen eine Frau, nennen wir sie mal Cassie, kennengelernt. Schon bei unserem ersten Zusammentreffen ging sie mir auf den Keks. Ich konnte meinen Finger nicht darauf legen aber ich mochte sie nicht. Aber irgendwie schien das nicht auf Gegenseitigkeit zu beruhen.

Eigentlich finde ich es absolut legitim, jemanden nicht zu mögen. Schließlich bin ich nicht Jesus. Ich muss nicht jedem Menschen, der mir begegnet, warme Gefühle gegenüber haben. Darum verziehe ich mich auch meistens ganz schnell, wenn so ein Mensch an meinem Horizont auftaucht.

Aber manchmal kann man solchen Menschen nicht so gut ausweichen, wenn sie z.B. Arbeitskollegen sind, oder Teil eines erweiterten Freundeskreises (so wie Cassie), oder gar ein Familienmitglied. Dann habe ich den Anspruch an mich, jeden zu mögen. Ich bin so verflixt harmoniebedürftig. Da passt es nicht in mein Weltbild, dass ich jemanden nicht mag oder gar sauer auf ihn bin. Mich über jemanden zu ärgern, kostet mich Kraft und Energie und ist ein echter Störfaktor in meinem Leben. Darum will ich Verständnis für die Eigenarten der Menschen um mich herum entwickeln und sie am liebsten sogar richtig gerne haben. Das ist wahrscheinlich ein ziemlich hoher Anspruch an mich aber ich weiß, dass das sogar möglich ist. Ich weiß, wenn ich von meinen Abwertungen abkomme und mich in die andere Person einfühlen kann, dann kann ich auch mehr Toleranz an den Tag legen. Vielleicht werde ich sie ja nie mögen, aber ich kann sie akzeptieren. Und das wiederum ist nicht nur für mich selber gut, weil ich dann viel mehr Seelenfrieden habe, sondern auch für die andere Person. Der geht es bestimmt auch besser, wenn ich weniger zickig zu ihr bin. Denn leider kann ich meine Abneigung selten gut verstecken.

Da Cassie die Freundin einer Freundin ist, will ich nicht einfach so wegrennen. Die Frage ist also, was stößt mich bei dieser Frau eigentlich so ab?

Erst einmal beklagt sie sich ständig über andere. Es ist ganz klar, dass sie die Menschen schnell negativ bewertet und richtig sauer auf sie wird, weil sie nicht so sind, wie sie es für richtig hält. Sie ist überzeugt davon, dass das Verhalten anderer Menschen immer gegen sie gerichtet ist, wenn sie sich nicht genau so verhalten, wie sie es sich vorgestellt hat.

Unser allererstes Gespräch handelte von einer Freundin von ihr, die ihr mächtig auf den Geist gehen würde. Diese Frau würde alle ihre "Knöpfe" drücken. Und jetzt muss ich zugeben, dass Cassie alle MEINE "Knöpfe" drückt. Spiegele ich nun IHRE Unfähigkeit, Verantwortung zu übernehmen oder spiegelt sie MEINE Unfähigkeit, Mitgefühl und Toleranz zu entwickeln? Oder beides?

Ich merke, dass ich ihr gegenüber ungeduldig reagiere und auch schon einmal viel zu heftig geworden bin. Dem Anlass überhaupt nicht angemessen. Ich sag ja, ich werde zickig.

Ich mag Cassie nicht, weil sie andere Menschen dafür verantwortlich macht, wie sie sich fühlt. Wenn A ihr nur ein wenig mehr Aufmerksamkeit schenken würde oder B sich etwas mehr bemühen würde . . . Es erstaunt mich immer wieder, wie sauer es mich macht, wenn ich mit solch einem Opferverhalten konfrontiert werde. Das Blöde ist, wie immer, dass das, was sie bei mir auslöst, genau das ist worüber ich mich bei ihr aufrege. Ich denke nämlich in Bezug auf sie genauso wie sie in Bezug ihre Mitmenschen. Ich denke, dass sie doch endlich mal aufhören sollte, das Opfer zu spielen und mal Verantwortung für sich selber übernehmen solle. Dann hätte ich schließlich meinen lieben Frieden.

Aber es ist nun einmal eine Tatsache, dass es eine absolute Zeit- und Energieverschwendung ist, sich darüber zu ärgern, dass die Menschen so sind wie sie sind. Ich kann niemanden verändern. Ich kann nur selber entscheiden, ob ich sie so akzeptieren will, wie sie sind oder ob ich mich vom Acker mache.

In diesem Falle habe ich mich entschlossen, genau das zu tun, was ich eigentlich von Cassie erwarte: Ich werde Verantwortung für mich übernehmen. Das wird mich Überwindung kosten. Das kann ich jetzt schon sagen. Aber wenn Sie wieder anfängt sich über Andere zu beklagen und ich merke, dass ich mich darüber ärgere, werde ich ihr das sagen. So etwas habe ich bis jetzt nur mit sehr, sehr guten Freundinnen gemacht. Und oft auch nur dann, wenn ich merkte, dass sie offen dafür waren. Dieses Mal werde ich es aber bei einer neuen Bekannten machen. Keine Ahnung, was das bewirken wird. Vielleicht wird sie sich dann von mir zurückziehen, was ja vielleicht auch ok wäre. Aber das Wichtigste ist doch, dass ich authentisch bleibe und nicht irgendeiner Höflichkeitsformel zuliebe, meinen Frust runterschlucke.

Ich hoffe bloß, dass ich es schaffe, mich ihr gegenüber freundlich auszudrücken. Schließlich hat sie mir ja nichts getan. Sie ist einfach nur so wie sie ist und tut ihr Bestmögliches. Aber wenn ich es nicht schaffe ihr gegenüber authentisch zu sein, dann befürchte ich, dass ich sowieso nicht sonderlich freundlich zu ihr sein kann.

So oder so, glaube ich, dass wir wohl keine Freundinnen werden.

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