Freitag, 6. März 2015

Männerbilder. Oder ist das, was ich von meiner Vergangenheit zu wissen glaube wirklich immer wahr?

Ich war als Teenager und auch noch später lange Zeit davon überzeugt, dass Männer unzuverlässig, oberflächlich und unfähig zur Liebe waren. Gleichzeitig war ich mir sicher, dass ich niemals eine Beziehung mit einem Mann würde haben können, weil ich nur von Frauen großgezogen wurde und daher keinen blassen Schimmer davon hatte, wie Männer funktionierten. Das änderte sich radikal, als ich eines Tages diese Glaubenssätze in Frage stellte.

Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der es nur Frauen zu geben schien. Meine Oma mütterlicherseits hatte vier Töchter und einen Sohn. Ihre Töchter haben jeweils ein Kind bekommen, drei Mädchen und einen Jungen. Sämtliche Väter in dieser Familie verschwanden schnell von der Bildfläche, meist ein paar Jahre nach der Geburt des Kindes. Entweder verschwanden sie ganz, wie mein Großvater, der erst Jahrzehnte später wieder aufgefunden wurde oder sie lebten nach der Trennung von ihren Frauen ihr eigenes Leben in dem sie ihre Kinder nicht mit einbezogen.

Ich wuchs mit einem ziemlich schlechten Männerbild auf.




Ich war als Teenager und auch noch später lange Zeit davon überzeugt, dass Männer unzuverlässig, oberflächlich und unfähig zur Liebe waren. Nichts konnte mich vom Gegenteil überzeugen.

Aber mein größter Schmerz entstand erst in meinen Zwanzigern, als ich mir bewusst wurde, dass ich ohne Männer aufgewachsen war und somit auch nicht den blassesten Schimmer hatte, wie sie funktionierten. Meine Chancen, jemals eine funktionierende Beziehung zu haben, waren also gleich null, weil ich nicht wusste, wie Männer waren, was sie dachten oder fühlten. Ich war mir sicher, dass ich, selbst wenn ich einmal schlank sein würde, niemals eine Beziehung mit einem Mann haben konnte, da ich einfach keine Ahnung von dieser Spezies hatte.

Mit Ende Dreißig kam dieser Schmerz wieder hoch. Ich hatte bis dahin schon ein erheblich differenzierteres Männerbild entwickelt. Ich sah, dass es Männern so wie es auch mit allem anderen im Leben ist: Jede Verallgemeinerung kann nur zu falschen Annahmen führen. Ich wusste also zu diesem Zeitpunkt, dass es tolle und nicht so tolle Männer gibt.

Obwohl sich mein Männerbild also verbessert hatte, kam wieder ein alter Schmerz hoch.


Genau diese Verbesserung meines Männerbildes führte dazu, dass ich mich wieder mit meiner großen Traurigkeit konfrontiert sah: Ich kannte mich mit Männer nicht aus, da ich ja mit keinen aufgewachsen war. Als Dauersingle hatte ich zwar zu diesem Zeitpunkt schon lange aufgegeben, zu hoffen, dass ich jemals einen Partner finden könnte, aber der Gedanke, dass ich schon deswegen keine Chancen hatte, weil ich in einer reinen Frauenfamilie mit einem schlechten Männerbild aufgewachsen war, machte mich unsagbar traurig. Ich knabberte an dieser Erkenntnis eine ganze Weile herum.

Bis ich dann endlich Byron Katies The Work machte. Ich hatte mir ihre vier Fragen schon oft zu anderen Themen gestellt und jetzt stellte ich mir die Frage: War es wirklich wahr, dass ich ohne Männer aufgewachsen bin?

Und was soll ich sagen, ich kam auf einmal auf eine ganz andere Antwort. Als ich ihre Fragen beantwortete und sogar Beweise für das Gegenteil suchen musste, entdeckte ich Folgendes: 1. Mein leiblicher Vater war immerhin die ersten drei Jahre meines Lebens präsent gewesen. 2. Danach hatte meine Mutter einen tollen jugendlichen Freund, der mehrere Jahre in meinem Leben eine große Rolle gespielt hatte. 3. Dann hatte sie noch einen Freund, der sich wirklich wie ein Vater um kümmerte und den Kontakt aufrechterhielt, selbst nachdem meine Mutter sich von ihm trennte. Ich habe heute noch eine enge und tiefe Beziehung zu ihm. 4. Mein Onkel war zwar seltsam und ein echter Kauz aber er war in meiner Kindheit oft Teil des Familienlebens.

Diese Details mögen sich nicht besonders spektakulär anhören aber ich kann gar genug betonen, wie unglaublich neu sie für mich waren. Ich war vollkommen überrascht. So hatte ich meine Vergangenheit ja noch gar nicht gesehen.

Ich war mein ganzes Leben in der festen Überzeugung herumgelaufen, dass ich ohne Männer in meinem Leben aufgewachsen war, nur weil meine Familie nicht dem traditionellen Familienbild entsprach. Und ich war davon fest überzeugt gewesen, dass ich deswegen für immer "männergeschädigt" war. Schließlich kann man ja die Vergangenheit nicht ändern, oder? Selbst Therapien konnten die Vergangenheit nicht ändern sondern nur ihre Auswirkungen abmildern, dachte ich.

Was aber, wenn die Vergangenheit gar keine wirkliche Vergangenheit ist, sondern nur eine Geschichte, die wir uns immer und immer wieder erzählen und darum auch glauben?


Ich glaubte also, dass ich niemals eine Beziehung mit Männern haben könnte, weil ich ohne Männer aufgewachsen war. Dieser Glaube an sich ist ja schon mal fragwürdig, aber ganz besonders wird es kritisch, wenn sich, wie bei mir, herausstellt, dass die sogenannten Tatsachen, auf die mein trauriger Glaubenssatz beruhte, vollkommen falsch waren.

Ich stellte also zu meiner großen Überraschung fest, dass ich drei starke männliche Bezugspersonen in meiner Kindheit hatte. Dazu kamen noch ein paar weitere, die weniger bedeutend für mich waren.

Wie, zur Hölle, konnte ich das jemals übersehen, fragte ich mich?

Ich habe keine Ahnung, wie das passieren konnte. Alles, was ich daraus gelernt habe, war, dass ich nichts, was ich glaube, ungefragt stehen lassen sollte. Ich sollte alle Glaubenssätze bei mir hinterfragen, sobald ich feststelle, dass sie Unbehagen bei mir auslösen. Und dann kann ich ja immer noch weiter sehen, ob die "Realität" auch wirklich mit meiner Annahmen über sie übereinstimmt.

Und dafür ist Byron Katies The Work einfach perfekt.

Danke Byron, für die vielen Erkenntnisse, die du mir schon geschenkt hast.

Karina

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen