Donnerstag, 24. März 2016

Smalltalk: Das können die Amies!

Den Amerikanern wird ja nachgesagt, dass sie oberflächlich sind. Für uns Deutsche scheinen sie sich viel zu offen und herzlich zu geben. Ganz besonders wildfremden Menschen gegenüber. Und irgendwie sind wir dann immer enttäuscht, wenn diese Herzlichkeit nicht die geringste Bedeutung zu haben scheint. Für Feten ist diese Eigenschaft allerdings phantastisch.

Ich habe Partys schon immer gehasst. Vielleicht nicht als kleines Kind aber als pummeliger Teenager gab es nichts Schlimmeres für mich, als auf eine der Schulfeten zu gehen oder, oh Graus, zu einer Party meiner Freundinnen eingeladen zu werden.

Nun ist frau ja oft sowieso als Teenager stark verunsichert. Aber ich wusste damals wirklich nicht, wie ich mich normal verhalten sollte, so verkrampft und voller Angst war ich. Gleichzeitig versuchte ich zu verheimlichen, wie schlecht es mir eigentlich immer bei solchen lauten und fröhlichen Gelegenheiten ging. Ich saß mit eingebranntem Lächeln auf meinem Stuhlrand und schaute den anderen beim Knutschen zu. Trotzig tanzte ich dann alleine auf der Tanzfläche, da keiner sehen sollte, wie ich das alles hasste. Einerseits verabscheute ich mich damals aber gleichzeitig hoffte ich mit ganzer Kraft und aller pubertären Hormone, deren ich habhaft werden konnte, dass einer der Jungs in unsterbliche Liebe zu mir entbrennen würde. Mir war egal, welcher Junge. Irgendeiner, der meine innere Schönheit wahrnehmen konnte, von der ich selber nicht wusste, wie die aussah.

Dieses Gefühl der inneren Versteifung und der Wunsch dies nicht nach außen zu zeigen, blieb mir mein ganzes Leben lang erhalten. Das ganze entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem Pavlovschen Reflex. Die Tatsache, dass ich immer dicker wurde, war da auch half mir auch nicht dabei, mich weniger zu genieren. Da ich allerdings immer ein paar gute Freundinnen hatte, wurde ich von ihnen auch immer wieder auf ihre Partys eingeladen. Einerseits wollte ich dorthin, da ich die Einladung als Ehre empfand. Andererseits wünschte ich mir schon Tage vorher, dass der Abend bereits hinter mir läge.

Und der Pavlovsche Reflex funktioniert auch heute noch, obwohl ich schon seit etlichen Jahren normalgewichtig bin, mich nicht mehr hasse und somit eigentlich auch keinen Grund habe, mich auf Partys unwohl zu fühlen. Aber so ist es nun einmal. Ich habe also immer noch echte Schwierigkeiten, mit den Menschen auf Feten Kontakt aufzunehmen, egal, ob sie mir bekannt oder unbekannt sind. Und das wird auf Dauer dann ziemlich langweilig. Und dann muss ich nicht nur meine Verkrampftheit sondern auch meine Langeweile verbergen. Das scheint mir aber nicht sonderlich gut zu gelingen, was wiederum für manche Menschen als unangenehm empfunden wird.

Einfach schrecklich!

Zum Glück werde ich hier in den USA nie zu Partys eingeladen. Hier scheinen Menschen meines Alters keine Partys mehr zu feiern. Es kann natürlich auch sein, dass mich hier keiner mag. 

Aber letzten Monat wurden Andrew und ich doch zu einer Fete eingeladen. Ein Kollege von Andrew veranstaltete eine 70ger Jahre Tanzparty. Weder Andrew noch ich hatten Lust dorthin zu gehen - aus unterschiedlichen Gründen. Meine habe ich eben erklärt. Andrew will abends einfach nicht mehr das Haus verlassen.

Wir sind aber trotzdem hingegangen. Und wieder machte ich die Bekanntschaft mit der Fähigkeit der Amerikaner kunstvoll Smalltalk zu führen.

Andrew kannte natürlich etliche Leute dort und war sofort in angeregtem Gespräch vertieft, während laute Musik aus den 70gern auf uns niederprasselte. Auch wenn ich neben ihm stand, verstand ich kein einziges Wort der Unterhaltung. Und ich spürte wieder die vertraute Verkrampftheit hochsteigen - fast wie Leichenstarre fing sie in meinen Extremitäten an und wuchs langsam meinem Herzen entgegen. Aber noch bevor diese Starre Überhand nehmen konnte, kam ein Pärchen zielstrebig auf mich zu, schüttelte mir energisch meine Hand und eröffnete durch die üblichen Fragen, dieses Mal gebrüllt, ein Gespräch: "Wo wohnst du? Was arbeitest du? Woher kommst du? Woher kennst du die Gastgeber?" Ich beantwortete ich diese Fragen und stellte dann, mangels Phantasie, exakt dieselben Fragen zurück. 

Kaum verließ mich das Pärchen, weil sie jemand anderem dieselben Fragen stellen wollten, kam schon der nächste auf mich zu. So ging es die ganze Zeit. Ich hatte gar keine Zeit mehr, mich zu verkrampfen, weil ich so damit beschäftigt war, meinen Gegenüber trotz lauter Musik zu verstehen und zum 15ten Mal zu erzählen, wo ich lebe, was ich arbeite und warum ich auf der Party war. 

Ich weiß durchaus zu schätzen, dass die Amies mir keine Zeit ließen, mich wie ein Mauerblümchen zu fühlen. Sie ließen mir nicht eine Sekunde, um Atem zu holen. Und ich beobachtete, dass niemand auf dieser Party jemals alleine rumstand. Jeder ging auf jeden zu. Das war gut, das brachte Stimmung. Aber ich war bald vollkommen erledigt.

Nach zwei Stunden fragte mich Andrew, der sich die ganze Zeit köstlich amüsiert hatte, ob wir nicht langsam gehen wollten. Ich sagte sofort begeistert zu und verließ dankbar diesen Ort der lauten Fröhlichkeit und steten Kommunikation. Ich war vollkommen erschlagen. Fix und fertig. Und ich hatte kaum noch Stimme. Nicht nur weil ich die ganz Zeit so schreien musste, sondern weil ich diese Art der oberflächlichen Konversation auch sehr anstrengend fand. Dabei ist das nicht böse von mir gemeint. Ich meine, worüber sollte man sich sonst mit wildfremden Menschen unterhalten? Wenn ich Themen anschneiden würde, die mich wirklich interessieren, würde ich z.B. Folgende Fragen stellen: "Wie läuft denn deine Beziehung so?, "Was hältst du von Donald Trump?", "Was macht dein Sexleben?", "Schon mal etwas geklaut?", "Wie bereitest du dich eigentlich auf dein Rentenalter vor?", "Wie viel verdienst du?", "Kennst du das Gesetz der Anziehung?", "Schon mal was von Gewaltfreier Kommunikation gehört?", "Ich will so reich werden, wie du aussiehst. Kannst du mir verraten, wie du das gemacht hast?".

Ich habe hunderte solcher Fragen, die ich fremden Menschen aber nicht stellen darf, weil sie das mit Recht als unhöflich und grenzüberschreitend empfinden würden. Also werde ich mich wohl auch weiterhin auf Partys unwohl fühlen müssen, sofern ich denn überhaupt noch auf solche gehe, da ich dort nur Fragen stellen darf, deren Antwort mich nicht interessieren. (Es interessiert mich wirklich nicht, in welchem Ort oder welcher Straße jemand wohnt oder wo er/sie geboren ist.)

Am liebsten mag ich meine Kaffeeklatschrunden mit bis zu fünf Frauen. Dort kann ich genau über die Dinge reden, die mich bewegen und hören, wie es den Frauen wirklich geht. Natürlich werden auch hier die Grenzen der Höflichkeit eingehalten, aber nie in dem Ausmaß, dass es mich je gelangweilt hätte.

Ich sollte wirklich endlich aufhören, auf Partys zu gehen.

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